Provence

La Vie en Rosé



Provence - Kulturland, Genußland, Roséland !
Die "Römische Provinz" mit ihren Arenen und Theatern: 2000 Jahre alt und immer noch fit und im Betrieb ! Die Provence der Maler: Van Gogh in Arles, Cézanne an den Montagne Sainte Victoire bei Aix, Picasso begraben auf Chateau Vauvenargues. Die Provence der Sinne: Der Duft des Lavendels auf dem Plateau Valonsole, das tiefe Blau der Cote d´ Azur. 
Die Provence des Weines: Rosé, Rosé und nochmals Rosé. Der Anteil in den Provenceappellationen liegt bei über 70 %, so viel wie sonst nirgends in der Wein(bau)welt. Sie haben da eine Markenidentität geschaffen, ein Konzept das seit vielen Jahren aufgeht. Jede Menge Rosé wird vor Ort vor allem in den Sommermonaten an der Küste zwischen Menton und Marseille getrunken. Und das nicht nur von Urlaubern, den sonnenhungrig Auswärtigen. Der Rosé ist im Alltag fest verwurzelt, in den Regalen und auf den Tischen allgegenwärtig. Ich hatte vom Ferienhaus einen guten Blick auf das Nachbargrundstück, bewohnt von einer französischen Oma (geschätzte 80 +). Jeden morgen stand um 8.30 zum Petit Dejeneur neben dem Croissant eine schlanke Flasche Rosé auf dem Tisch, aus der zwei Gläser geleert wurden.
Da wollte ich nun nicht zurückstehen und habe jede Menge Rosé probiert. Man soll sich ja an die Sitten und Gebräuche des Gastlandes anpassen, oder ? Und es geht einfach perfekt zusammen: Was sieht zum Blau des Wassers und des Himmels besser aus als eine Flasche Rosé ? Was streichelt sinnlicher die Zunge und erfrischt besser als diese Mischung aus Saft, Säure, Schmelz und Biß, die seriöse Provencerosés durchweg draufhaben. Das geht schon bei knapp über 5€ los, ab 8€ ist schon richtig Musik im Glas wie beim  Bailly (Bild oben) und beim Minuty (unten). Beide  sind zudem in der klassischen Flasche abgefüllt, ein Produktdesign, das wie bei Coca-Cola die sinnlichen Proportionen eines Frauenkörpers zitiert - purer Genuß...

Ein Stein, wer da widersteht...


St.Tropez

St. Tropez, Lifestyle - Protzerei überall, Normalos kucken Reiche, Yachten und dicke Autos. Im Sommer übervoll - trotzdem natürlich großes Kino mit Unterhaltungswert. Und ein paar Meter vom Hafen weg in den malerischen Gassen der Altstadt sogar Ruhe. Weinbau gibt es im Hinterland jede Menge, auf der Halbinsel Ramatuelle und bei Grimaud und Gogolin zu Füßen des Maurenmassivs.

Ein Marketing - Kuriosum ist der ICE TROPEZ, eine Art Weincocktail in Designerflasche. Er ist natürlich "Créé à St. Tropez", ein cleveres Erzeugnis der Domaine Tropez und mittlerweile international erhältlich, auch bei uns (hier). Der Geschmack ist furchtbar, süßliches Alcopop für Nicht-Weintrinker. Dann schon lieber die kalte Muschi ! Ansonsten regiert Luxuskonsum, auch beim Wein. Es gibt ein Fachgeschäft für Großflaschen (Cave Jeroboam), beständiger Nachschub für die Champagnerduschen am Nikki Beach ist also sichergestellt.
Was Preise angeht kann man sich übrigens irren. Für ein kleines französisches Frühstück ließ ich mich direkt am am Hafen im Senequier nieder. Eine Institution, die mit ihren rotleuchtenden Dreieckstischen den ganzen Aufstieg und Wandel des Ortes seit Jahrzehnten begleitet. Ein großer Milchkaffe (je eine Kanne mit Milch und Kaffe) + ein Croissant kosteten zusammen gerade 6,60€. Auch im Ort gibt es mittags die Plat du Jour in vielen Lokalen für 15€, oft mit einem Glas Wein oder einem Kaffee + kleinem Dessert.
Die Klassiker ziehen noch in St. Tropez: Brigitte Bardot ist aktuell eine Ausstellung gewidmet und auch der cholerische Gendarm ist nach wie vor sehr präsent. Am Gebäude der alten Gendarmerie National treffen sich Schaulustige zum Fototermin und es gibt einen Wein, die "Cuvée Gendarme". Hab ich aber nicht probiert...


Petit déjeneur im Senequier, preislich noch moderat...


Die "wahre" Provence


Die "wahre" Provence, die Genießerprovence, die Wunschprovence für nordeuropäische Romantiker gibt es noch: Außerhalb der Zentren, in den im Reiseführer nicht oder nur am Rande erwähnten Orten und Gegenden im Hinterland. Ruhige Plätze unterm Platanendach, plätschernde Brunnen, buntes Gedränge zwischen duftenden Marktständen, das Klacken der Kugeln beim Petanque...


Und natürlich Weingüter, abgelegen, von der Hauptstraße weg. Die überraschen oft, wie (wieder mal) die Domaine Grand Cros. Charmant wurde bei einem Besuch eine kleine Degustation zusammengestellt. Hier geht es, wie man auch auf dem Foto unten sieht, recht sinnlich zu. Die Spitzenweine heißen "Nectar", die roséfarbenen Schaumweine "La Maitresse" und "La Rivale". Eine modern gemachte Basislinie wird unter dem Namen "Jules" vermarktet.


Solche Domainen, die neben dem Rosé auch substanzielle Rote machen, gibt es zwar überall, man muß sie aber suchen. Eine gute Übersicht ermöglicht das Maison des Vins in Les Arc sur Argens. Dort sind viele Güter mit ihrem Sortiment vertreten, man kann degustieren und zu Weingutspreisen kaufen. Nicht dabei sind hier allerdings die großartigen Bandols, die dichten Mourvedre-Klopfer von der Küste westlich von Toulon. Um da einen Überblick zu bekommen, fährt man am besten nach Le Castellet. Dort liegt mitten in den Weinhügeln mit Blick aufs Meer das offizielle Maison des Vins oder direkt nach Bandol selbst ins Maison des Vins du Bandol. Natürlich auch nicht dabei die großen Roten von der südlichen Rhone. Die wachsen zwar alle geographisch in der Provence, gehören aber weintechnisch nicht zu den Provence-A.O.C.s. 
Ansonsten ist Genuß ohne Hektik angesagt, es ist warm, man sollte seinen Radius durchaus beschränken, die Zeit sich mehr seitwärts als nach vorn bewegen lassen, auch in der (Ferienhaus)küche. Trotzdem muß natürlich was kräftiges auf den Teller, allein schon um eine Grundlage für die Getränke zu schaffen. Links zum Rosé ein bunter Salat mit geräucherter Entenbrust, rechts Entrecote mit Rotweinschalotten.


Bormes les Mimosas


Im vierten Teil noch mal ohne viel Worte was für Provence-Romantiker und überhaupt alle, die den Süden lieben: Gefüllte Gläser, Tigel, Teller und Tische an und in einem Haus in Bormes les Mimosas am Südhang des Maurenmassivs, nicht weit vom Meer bei Le Lavandou. Sehr malerisch gelegen mit engverschachtelten Häusern und steilen Treppen ist Bormes durchaus ein "In-Dorf" geworden, mit schicken Restaurants und kleinen Mode-und Keramikläden. Doch was Jahrhunderte gewachsen ist, behält seinen Charakter, auch wenn es sich in der Saison an Markttagen drängelt...


"Mange avec joie ton pain
et bois ton vin gaiement"
Ecclesiastes 9.7











Degustation







In den Weingebieten in Frankreich wird viel beim Winzer gekauft, natürlich. Wobei man den Eindruck hat, daß die vielen "Degustation"-Schilder allerorten vor allem Urlauber und (Wein)reisende zum Erlebniseinkauf anlocken. Der Vor-Ort-Franzose kauft im Hyper-U, im Géant, im Carrefour - den mehrere fußballplatzgroßen Einkaufszentren. Da gibts ja nicht nur gut bestückten Fischtheken, sondern auch gewaltige Weinregale mit zum Teil erstaunlichen Beständen. Immer sind auch hochwertige und bekannte Namen dabei. Selbst in einem kleinen Casino-Markt in Les Issambres standen neben billigem Plastikspielzeug aufgereiht einige Flaschen Chateau L´Arrosée 2006, ein Grand Cru aus St. Emilion für allerdings völlig überteuerte 61€ (eine Flasche aus dem´85 Jahrgang gab es als Zugabe zur Primeurverkostung in der Weinzeche Essen).

Zum Abschluß noch ein paar Buchtips. Immer noch ein Treffer ist der schöne Band "Provence, Küche Land und Leute" von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer (16,95 hier): Mit Liebe und Leidenschaft geschriebene und fotografierte kulinarische Reportagen.
Für Weinkrimifreunde zwei Titel, die in der Provence spielen, beides leichte Kost: Peter Mayles "Ein guter Jahrgang" und Michel Böcklers "Sterben wie Gott in Frankreich".
Zwar ohne Wein, dafür für mich immer noch die schönste Erzählung zur Provence ist Marcel Pagnols autobiographische Romantrilogie "Souvenirs d’enfance / Eine Kindheit in der Provence", verfilmt als "Der Ruhm meines Vaters" und "Das Schloß meiner Mutter".