Türkei



Mit Liebe und Sorgfalt geführt: Alis Pamukkale-Grill in Dortmund -
am 21. Juni auch Türkische Weinzentrale. 

Die Türkei steht in der Traubenproduktion weltweit auf Platz drei und hat fünfmal mehr Rebfläche als Deutschland. Davon werden aber nur wenige Prozent für den Weinbau verwendet, die große Menge wird als Tafeltrauben gegessen oder zu Rosinen verarbeitet. Der Weinkonsum liegt heute nur bei einem knappen Liter pro Kopf und Jahr. Dabei hat das Land eine uralte Weinbau-Tradition, schon im 4. Jahrtausend v.Chr. gab es kultivierte Rebflächen in Anatolien. Außerdem ließ sich ja auch schon Noah dort als Winzer nieder, nachdem er mit seiner Arche nach der Flut auf dem Berge Ararat gelandet war. In der osmanischen Periode war es dann nur den christlichen Minderheiten erlaubt, Wein zu produzieren. Erst unter dem als Weinliebhaber bekannten Kemal Atatürk nahm in den 1920er Jahren der Wein in der Türkei wieder einen gewissen Aufschwung, die auch heute noch existierenden Großbetriebe wie Doluca und Kavakliderewurden in dieser Zeit gegründet. Kleine, individuell arbeitende Winzer gibt es bisher so gut wie nicht. Dabei sind die Voraussetzungen für einen neuen Schub gegeben. Terroir und klimatische Bedingungen sind vielfältig und günstig, eine westlich orientierte Mittelkasse wäre möglicherweise von mehr Weinkultur zu begeistern.
Auch bei uns ist türkischer Wein klar ein absolutes Nischenprodukt. Wir Weinfreunde hier sind ja durch das Angebot völlig übersättigt, selbst lange angekündigte Aufsteigerländer wie Ungarn, Rumänien, Kroatien etc. haben es da schwer. Eine Möglichkeit für Türkweine wäre jedoch in Deutschland die türkische Gastronomie mit ihren würzigen Speisen, besonders auch diejenige, die dieFinessen der orientalischen Küche herausstellt.
Eine Probe aktueller türkischer Weine mußte deshalb natürlich in einem kulinarischen Umfeld stattfinden, in einem für den Ruhrpott typischen Döner-Grill. Auch da gehört türkischer Wein hin (in jeder  Pizza-Bude steht doch italienischer herum, meist von unterirdischer Qualität). Schließlich ist die türkische Küche eine der Säulen der heutigen kulinarischen Landschaft der Ruhrgebiets. Näheres dazu hier im kulinarischen Manifest des Genießers. Acht Weine wurden im Pamukkale-Grill im Dortmunder Kreuzviertel verkostet, darunter das absolute Flagschiff "Corpus", der mit einem Verkaufspreis von 39€ teuerste Wein aus der Türkei:

  1. "Sultaniye-Emir" 2008 DLC Doluca (alle DLC Weine 8,40€). Einstieg mit einem Weißen aus der Ägäis, kräftiger Wein aus der Sultaniye Traube, hat was harzig-kräuteriges, kommt knackig-trocken mit Charakter, gut.
  2.  „Legend“ Villa Doluca aus der autochthonen türkischen Rebe Ökügözü, zu deutsch „Ochsenauge“, Alicante und Carignan (Real, ca. 3 Euro). Die Einstiegslinie von Doluca, mehr drin als erwartet. Frische Säure, etwas kurz, aber saubere (kleine) Frucht, zu einfachen Grillgerichten absolut korrekte Trinkbarkeit.
  3. "Öküzgözü" 2005 DLC Doluca - Zentralanatolien. Nochmal das "Ochsenauge", diesmal aus der DLC Linie von Doluca. Leider fehlerhafte Flasche, braune Farbe, Madeiranase, der Wein war dem Oxy-Dativ anheimgefallen.
  4. „Boğazkere“ 2005 DLC Doluca aus der Traube Boğazkere, auf deutsch „Der im Hals kratzt“, aus Südostanatolien (Türkischer Weinversand, ca. 8 Euro). Sehr viel Frische drin, klare kirschige Frucht, sehr lebhaft, der Wein macht seinem Namen alle Ehre. Erinnerte mich an einen spanischen Monastrell. Gute Länge.
  5. "Kalecik Karasi" 2005  DLC Doluca - Ostanatolien. Eine alte Rebsorte, die schon die Hethiter getrunken haben. Leichte Reife, mehr Süße und Schmelz, kraftvoller beeriger Wein, mein Favorit in der DLC Reihe.
  6. "Angora" 2008 (Cabernet-Sauvignon/Kalecik Karasi) von Kavaklidere - Ägäis (3,98€). Schöne Fruchtnase, man merkt durchaus den Cabernet, im Mund Paprika. Modern gemachter kleiner Türk-Bordeaux für kleines Geld.
  7. „Anfora“ 2006 von Pamukkale Sarapclik aus Öküzgözü und Boğazkere (aus dem türkischen Restaurant „Tablo“ in Essen, 10,45€) Durchaus "viel Wein": Lilafarben, dunkel, kleiner Stinker in der Nase,  Gerbstoffentwicklung im Mund, Kraftbursche, gut.
  8. "Corpus" 2005 von Corvus (Merlot/Syrah/Cabernet-Sauvignon) Ägäis (39,90€). Wir waren gespannt, hohe Erwartungen wurden durch den Preis geweckt. Der "Corpus" kommt nicht von einem Großbetrieb, sondern ist ein Projekt des Istanbuler Architekten Resit Soley, der auf der Insel Bozcaada in der Nordägäis mit seiner Kellerei Corvus ergeizige Qualitätsziele verfolgt. Der "Corpus" ist dasSpitzengewächs aus internationalen Rebsorten, ausgebaut in französischer Alliereiche. Und was soll man sagen - so schmeckt der Wein auch. Eine dichte warme Woge Wein, reichhaltig mit süßer Frucht, viel Vanilleschmelz und Tabak, üppig ausgestattet wie der Harem eines osmanischen Sultans. Erinnert natürlich an ähnlich angelegte Gewächse, spontan fiel mir da der Montiano von Falesco ein, auch ein Merlot von intensiver Machart. Aber was solls, der Wein ist klasse und schon aufgrund seiner Herkunft originell.
Die meisten Flaschen der Probe gibt es beim Türkischen Weinversand in Bochum, die haben eine große Auswahl. Auch hochwertige Rakis können dort bestellt werden. Zur Probe auch hier Berichte bei Genußbereit und beim Mahlzeitblog. Weitere links zu "Türkei + Wein" hier:
8 Weine - 4 Verkoster: Mahlzeitvogel, Weindeuter, Genießer,
Chefkoch Jan von der Siedlerklause








Thera: Ahr goes Turkey


Zwei Weinfreunde aus Dernau an der Ahr machen einen Wein in der Türkei ! Frank Josten träumte schon länger den Traum vom türkischen Wein und ergriff schließlich 2005 die Initiative. Er nahm Herrman-Josef Kreuzberg vom bekannten Weingut Kreuzberg in Dernau mit an die türkische Ägäisküste und überzeugte ihn, dort ein Weinprojekt zu beginnen.
Zusammen mit Mustafa Al betreiben sie nun seit 2006 gegenüber der griechischen Insel Rhodos in der Provinz Mugla die Thera Winery. Die Weinberge sind bestockt mit Cabernet-Sauvignon und Syrah, befinden sich 25 Kilometer vom Meer entfernt und sind gelegen zwischen 300 und 700 Höhenmetern. Die erste Abfüllung (Jg. 2007) ist erfolgt nach 22 Monate Barriquelager, unfiltrierter Füllung und einem Jahr Flaschenreife. Das ganze (vorerst) in Kleinstauflage, mit viel Herzblut und Leidenschaft. Ein wirkliches Autorenwerk, hier der erste Jahrgang. Die Flasche kostet 29€. Das muß angesichts des Aufwandes und der geringen Menge wohl so kalkuliert werden - der Wein ist aber auch richtig gut !
  • "Thera" Cabernet Sauvignon / Merlot 2007 (13% / 29€) Tiefdunkle Tinte, auch in der Nase nicht schüchtern, dunkle Frucht verspricht Reichhaltigkeit. Im Mund dann präsente aber, und hier muß ich das Wort mal gebrauchen, feinkörnige Gerbstoffe. Kriegt dadurch eine sehr maskuline Note. Das ganze eher auf der sportlichen Seite, der Wein ist nicht geprägt durch überreife Frucht, Süße und übertriebenen Schmelz. Auch der Holzeinsatz ist sehr gelungen, man spürt hier eher die Handschrift der Dernauer Spätburgunderwinzer und den Wunsch, auch im heißen Süden einen Wein mit Finesse zu machen. Hat einen anderen Charakter als z.Bsp. der "Corpus" vom Weingut Corvus, ebenfalls an der türkischen Ägäisküste. Der ist auch aus internationalen Rebsorten gemacht, aber eher im Blockbuster-Stil gehalten ("üppig ausgestattet wie der Harem eines osmanischen Sultans"). Und mit einem VK von 39€ der teuerste Wein aus der Türkei (Verkostung hier).
    Der Thera im Glas schmeckt einfach sehr gut, ist moderat im Alkohol und macht Lust auf den nächsten Schluck. Ein winziger Rest war nach 4 Tagen noch in der Flasche, den hab ich grad beim Schreiben aus Neugierde probiert, selbst der war ein Genuß.



    Antiweinpolitik in der Türkei

    In Deutschland noch erlaubt:
    Weingenuß zu herzhaftem türkischen Essen 

    Eine der schönsten Weinproben im letzten Jahr war die Verkostung türkischer Weine im Pamukkale Grill im Dortmunder Kreuzviertel. Mit Unterstützung des türkischen Weinversandes aus Bochum konnten sich einige Weinfreunde von der gebotenen Qualität überzeugen, gerade in Verbindung mit würziger Küche.
    Aktuell hat der Weinkonsum und damit auch der Weinbau in der Türkei allerdings kräftig Gegenwind durch Antialkoholmaßnahmen der Erdogan Regierung, die an die Ära desosmanischen Sultans Murad des Vierten (1610-1640) erinnern. Der hat den Konsum von Kaffe, Wein und Tabak mit dem Tode bestrafen lassen. Soweit ist es natürlich noch nicht, aber die staatlich-religiösen Eingriffe sind unterwegs. Die staatliche Regulierungsbehörde für den Tabak- und Alkoholmarkt (TAPDK) versucht, den Alkoholverkauf und -konsum massiv zu erschweren.

    Die Westdeutsche Allgmeine Zeitung (WAZ) berichtet folgendes:

    Alkoholproduzenten wie der Brauerei Efes wird es künftig untersagt, Sportvereine zu sponsern oder bei Sportveranstaltungen zu werben. Werbung für Alkohol wird in jeder Form untersagt. Restaurants dürfen nach den neuen Bestimmungen nicht mehr zum Alkoholkonsum ermuntern. Damit könnte sich ein Kellner schon strafbar machen, wenn er dem Gast ungefragt eine Weinkarte vorlegt.
    Bei der Vergabe von Konzessionen für den Alkoholausschank verfahren die von Erdogans Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) regierten Städte und Gemeinden immer härter. Selbst in der Umgebung der Touristenhotels in Istanbul führen viele Läden inzwischen weder Bier noch Wein. Geschäftsinhaber berichten vom Druck städtischer Behörden, Alkohol aus dem Sortiment zu nehmen.
    Premier Erdogan selbst geht mit gutem Beispiel voran: Der Premier trinkt keinen Tropfen Alkohol und duldet ihn in seiner Gegenwart auch nicht. Er verstehe nicht, warum Leute Wein trinken, erklärte Erdogan jüngst auf einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation, schließlich gebe es doch auch Traubensaft. Gleich in seinem ersten Regierungsjahr erhöhte Erdogan die Alkoholsteuern um 129 Prozent.
    Die Abgaben auf Bier stiegen in seinen bisher acht Regierungsjahren um 737 Prozent. Die Flasche des Nationalschnapses Raki, Lieblingsgetränk des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk, verteuerte sich von neun auf 35 Lira. Das sind rund 17 Euro
    Horrende Besteuerung und immer neuen Beschränkungen zeigen Wirkung: Zwischen Erdogans Amtsantritt 2003 und 2008 sei der Alkoholkonsum um 34 Prozent zurückgegangen, heißt es in einer Studie der Istanbuler Bahcesehir-Universität.

    Schlechte Aussichten also für türkische Winzer und Weinfreunde. Dabei gibt es ja auch sehr ambitionierte Weinprojekte dort. In der oben erwähnten Probe konnte der "Corpus" der Corvus Kellerei auf der Insel Bozcaada glänzen. Auch hört man Gutes von denSevilem-Weinen aus der Nähe von Izmir. Die sind jedoch in Deutschland leider nicht zu bekommen.