04.02.2013

Hugenpoet Rundgang 2013



Anders als der Betriebsname Vino Grande vermuten läßt, ist das Ladengeschäft von Thomas Kierdorf in Essen-Rüttenscheid eher klein, verkostet wird in einem gemütlichen Hinterzimmer. Viel Stammkundschaft trifft sich da, Leute mit "Weinabitur" und elaboriertem Geschmack. Das Motto ist hier klein aber fein.
Einmal im Jahr, im kalten Januar, verlagert sich aber das Geschehen, dann gibt es wirklich Vino Grande. Im Schloßhotel Hugenpoet, einer edlen von Wassergräben umsäumten Anlage in den Ruhrauen zwischen Essen Kettwig und Mülheim, inszeniert Kierdorf seine Hausmesse. Das ist jedesmal großes Weinkino, die Veranstaltung ist das Gegenteil von Beliebigkeit. Man will es hier nicht jedem recht machen. Wer auf der Suche ist nach Bordeaux, Burgund oder dem neuesten "Parker-Spanier" für 7€ oder gar Übeersee ist hier falsch, das kommt alles nicht vor.
Den Schwerpunkt der Qualitäts- und Geschmacksvorstellungen von Thomas Kierdorf bilden deutsche Rieslinge und Weine aus Österreich, dazu etwas Iberien und Südfrankreich. Eine solche Ausrichtung mit deutlicher Handschrift ist nicht ohne Risiko. Die Weine müßen erklärt werden, lautes Anpreisen, Schnäppchenangebote, Prahlerei mit Punkten und dergleichen passen hier nicht ins Konzept. Doch auch vornehmes Undersatement mobilisiert die Fans, wenngleich mir in diesem Jahr mehr Platz in den Räumen und an den Probentischen zu sein schien...


Hugenpoet: Genießer und Weindeuter (links) mit Rolli und Zaltoglas...

36 Weingüter mit 250 offenen Flaschen verteilten sich in den ehrwürdigen Salons des Hauses, Drinkers Paradise. Alles probieren geht natürlich nicht, hier ein paar Schlaglichter des Rundgangs, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit. Zunächst Rieslingklassik von Mosel/Saar und weiteren Weißweinwonnen...

Van Volxem gewohnt stark, Dominik Völk präsentiert 2011 Scharzhofberger und 2011 Altenberg Alte Reben: Herrliche Verbindung von reichhaltiger, cremiger und gaumenfrischer Frucht und solidem Schieferfundament. Top.
Gegenüber Clemens Busch, die Pündericher zeigen die verschiedenen 2011er aus ihrer Toplage Marienburg. Anderer Stil, kompromisslos trocken, pure Mineralik, druckvoll, männliche Mundfüller, brauchen Zeit.
Leichter und im Kontrast fast erholsam kommt danach Heymann-Löwenstein in die aufnahmebereiten Gläser. Röttgen und Uhlen scheinen ganz von der weichen, sehr zugänglichen Frucht getragen.
Großes Tennis dann aus der Pfalz, aus Deidesheim. Stephan Attmann (Von Winning) erklärt intensiv, schenkt freudig ein und alles schmeckt einfach enorm gut. 2011er Langenmorgen und Pechstein sind Rieslinge am Anschlag, volle Konzentration, saftige Frucht, viel Exotik drin, mitreißend, Lustmacher pur. Überraschung dann die Sauvignon-Blancs. Eine Mode in der Pfalz? Egal, die drei Sauvignons I, II und 500 sind sensationell, werden hier nochmal gesondert vorgestellt...
Fehlt noch Chardonnay. Und da steht natürlich wieder Karlheinz Milch aus Monsheim aus Rheinhessen bereit, der sich auf diese Rebsorte spezialisiert hat. Ein eher ruhiger Winzer, er läßt seine Weine für sich sprechen. Und die befriedigen sehr, vom Einsteiger Kalkstein für unter 8€ über den Blauarsch bis zum XXL für 25€. Die müßte man mal direkt gegen Burgund stellen...



Im Obergeschoß geht es ohne Umschweife zu Terroir al Limit, Priorat extrem. Preislich, wie auch aromatisch sind diese Weine nicht unumstritten. Torsten Hammer ("The Priorat-Guide") beklagte sich bei einer früheren Verkostung mal über allzu knapp bemessene Probenschlückchen von Dominik Huber, die ein reguläres Verkosten kaum zuliessen. Aber auch jenseits solcher Anekdoten polarisieren diese Weine die Prioratgemeinde. Man strebt hier Finesse an. Die auf den Schieferböden des Priorat intensiv-kräftige Grenache wird gebändigt, sozusagen "burgundisiert". 
Wiederum ein Kontrast dann die Weine der Domaine Horizon aus dem Roussillon, neu im Programm bei Vino Grande. Thomas Teibert ist ein barock-salopper Typ mit roter Hose und Hosenträger und macht Wein im Hinterland von Perpignan. Irgendwie fällt mir da sofort Gerard Gauby ein. Der kommt ja auch aus Calce und sieht auf Fotos immer ähnlich aus. Und tatsächlich gibt es eine, sogar sehr enge Verbindung: Teibert und die Tochter von Gauby haben ein gemeinsames Kind...



Nun, die Teibertschen Reben haben Meerblick, deshalb der "Horizont." Preislich sind die Weine nicht schüchtern kalkuliert, schon der rote Einsteiger Esprit de l ´Horizon kostet 19,50€. Für den Domaine de l ´Horizon werden 33€ fällig. Beide sind aber top, der neue Südstil ohne Überkonzentration, haben delikate Frucht, trotzdem natürlich genug satte Sinnlichkeit und Schmelz, sehr gut.

Dann Österreich, ein Schwerpunkt von Thomas Kierdorf. Dorli Muhr und Fritz Wieninger nebst ihren Weinen glänzten diesmal durch Abwesenheit. Eine feste Größe auf Hugenpoet ist aber Margarethe Triebaumer. Ihr Ried Mariental (2010) repräsentiert den sehr straighten Blaufränkisch-Stil. Der erfährt seine Klasse durch fokussierte kühle Frucht und Mineralik, wenig Holz, großer Wein für Medoc-Freaks. Mehr Wonne und Wärme dann bei Hans Nittnaus, auch aus dem Burgenland. Der Erfinder des Pannobile-Konzepts schenkte seinen 2010er Pannobile allerdings aus halben Flaschen aus, die reguläre Größe ist ausverkauft. Satte Kirsche, Vanille, reichhaltig, Top-Wein.

Eine Legende zum Schluß, im roten Salon präsentieren in absolut bescheidener Weise René Barbier und seine Frau Isabelle ihre Flaschen. Auch wer vom Priorat keine Ahnung hat - Clos Mogador kennt jeder. Einer der Begründer des neuen Priorat, Trendsetzer und bis heute Qualitätsmotor für die Region. Clos Mogador 2010 aber auch ´05er und ´08er Manyetes zeigten Größe, reichhaltige, dunkle Weine mit Tiefgang.



Was noch? Der Rest ist Schweigen. Sicher kamen noch einige weitere mouth-pleaser ins Glas. Aber unter uns, Hugenpoet ist auch mal einfach sinnlicher Genuß, ohne dauernde Analyse und Verkostungsnotizen. Besser als hier retrospektiv nachzulesen ist auf jeden Fall ein wirklicher Besuch. Nächste Chance also Januar 2014...

Zur Hugenpoet Probe auch hier bei Genußbereit (klick)








Hier die komplette Winzerliste


Sekthaus Raumland, Flörsheim-Dalsheim, Rheinhessen
Weingut Schloss Lieser, Lieser, Mosel
Weingut Pauly, Lieser, Mosel
Weingut Markus Molitor, Zeltingen, Mosel
Weingut Heymann-Löwenstein, Winningen, Mosel
Weingut Van Volxem, Wiltingen, Saar
Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken, Saarburg, Saar
Weingut Hermann Dönnhoff, Oberhausen an der Nahe
Weingut Johann Baptist Schäfer, Burg Layen, Nahe
Weingut Battenfeld-Spanier, Hohen-Sülzen, Rheinhessen
Weingut Kühling-Gillot, Bodenheim, Rheinhessen
Weingut Wittmann, Westhofen, Rheinhessen
Weingut Milch, Monsheim, Rheinhessen
Weingut Von Winning, Deidesheim, Pfalz
Weingut Jürgen Leiner, Ilbesheim, Pfalz
Weingut Zehnthof - Luckert, Sulzfeld, Franken
Weingut Schloss Gobelsburg, Gobelsburg, Kamptal
Weingut Kurt Angerer, Lengenfeld, Kamptal
Weingut Franz Proidl, Senftenberg, Kremstal
Weingut Knoll, Dürnstein, Wachau
Weingut Anita & Hans Nittnaus, Gols, Burgenland
Weingut Kollwentz, Großhöflein, Burgenland
Weingut Wenzel, Rust, Neusiedlersee
Weingut Ernst Triebaumer, Rust, Neusiedlersee
De Sousa & Fils, Avize, Champagne
Domaine de l´Horizon, Calce, Roussillon
Domaine Matassa, Calce, Roussillon
Celler de Capçanes, Capçanes, Montsant
Cava Gramona, Sant Sadurní d'Anoia, Penedes
Clos Mogador, Grattalops, Priorat
Terroir al Limit, Torroja del Priorat
Azienda Agricola Vigna Rionda di Massolino, Serralunga d´ Alba, Piemont
Marchesi Mazzei, Castellina in Chianti, Toscana
Niepoort Vinhos, Quinta de Napoles, Douro
Obstkellerei van Nahmen, Hamminkeln, Niederrhein


1 Kommentar:

  1. Hugenpoet? Hab zuerst "Hungerpoet" gelesen - aber das war ja wohl nichts für "arme Poeten". Beim "Rolli" in der Bildunterschrift musste ich 2x hingucken, einen Rollkragenpullover oder eine Rolex entdeckte ich nirgendwo. ;-)

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