Mit dem "Finger auf der Landkarte", so war das früher bei mir. Sehnsuchtsorte besuchen, im Geiste. Heute ist natürlich Google Earth ein schönes Mittel, um sich wegzuträumen...
Ich greife gerade zu solchen Substituten, denn eine Fahrt ins Midi steht in diesem Jahr nicht auf der Agenda. Deshalb hier der 2te Teil der Genußtour ins Midi, zusammengepuzzelt aus Fahrten der vergangenen Jahre. Das Ganze soll gedanklich starten in Lyon. Diese Metropole am Zusammenfluss von Rhone und Saone war das Thema in Teil 1(klick).
Südlich der Stadt beginnt weinbaugeographisch die Nördliche Rhone mit den bekannten AOCs dieser Region: Cotes Rotie, Cornas, St. Joseph, Hermitage etc. Hier regiert die Syrah und ergibt festfleischige Weine mit kerniger Frucht, in den Spitzen legendäre und teure Gewächse.
Die ersten Reben tauchen auf der Höhe von Vienne auf. Eine Stadt, die sich recht eng in das Tal der Rhone schmiegt. Da war ich 2005 für eine Nacht, eine Etappenübernachtung auf dem Weg ins Midi. Gegessen haben wir damals sehr schön dort. Das Menü im Restaurant Le Cloitre, direkt neben der mächtigen Kathedrale St-Maurice, war ein sinnlicher Einstieg in die Genüsse des Südens. Den Wein dazu weiß ich nicht mehr, es wird aber gewiß einer von der nördlichen Rhone gewesen sein.
Als Trennpunkt zur südlichen Rhone könnte man den Atomkomplex Cruas nördlich der Nougatstadt Montélimar bezeichen. Da haben wir im letzten Herbst an der N7 mal angehalten und ein idyllisches Atombild mit dem Reisewagen gemacht. Auf einem Kühlturm das große Gemälde mit dem Kind drauf, ein irritierender Moment, NO NUKES!
Diese Südroute haben wir mit dem Auto auf dem Weg ins Midi öfter genommen, in der Regel aber nicht über die alte Route National 7 wie auf dem Bild oben, sondern über die parallel verlaufende A7, die Autoroute de Soleil, DIE Verbindungsachse in den Süden, immer nah an der Rhone entlang.
Südöstlich von Montelimar beginnen dann die endlosen Rebflächen der südlichen Rhone, das ist schon die weinsatte Provence, reichhaltig, vor allem mit den warmtönigen, grenachebetonten Weinen. Hier lebt noch immer viel mit, vom und für den Wein, Genossenschaften, jede Menge Winzer auf unterschiedlichem Qualitätsniveau. Herausgehoben im Appellationssystem sind zuvörderst die Crus, dann die Village Weine.
Berühmt und immer noch oben in der Hirarchie ist natürlich Chateauneuf du Pape. Prächtige Weine in prächtigen Flaschen, mit barocker Grundaromatik.
Das größte Ch9 - Erlebnis hatte ich bisher allerdings nicht vor Ort, sondern hier in Bochum. 138 Weine von 68 Weingütern aus Chateauneuf du Pape zur gleichen Zeit am gleichen Ort, alle offen und über 4 Stunden von Organisator Uwe Bende zur Verkostung freigegeben - das war am 1. März 2009 für einige Weinfreunde die genussvolle Herausforderung!
Warum machen ausgerechnet diese Weine so an ? Mein Fazit: Im Chateauneuf gelingt die Verbindung von südlich-dichter Opulenz mit Delikatesse und Finesse. Von zart bis hart, oft sogar gleichzeitig! Es sind, auch bei eher „modern“ arbeitenden Winzern, keine eindimensionalen Fruchtbomben und Tannintanker. Sie sind nie langweilig, machen aber auch nicht nervös, sondern strahlen eine ausgeglichene Harmonie und Ruhe aus: Ausdifferenzierte und tiefgründige Charakterdarsteller.
Das größte Ch9 - Erlebnis hatte ich bisher allerdings nicht vor Ort, sondern hier in Bochum. 138 Weine von 68 Weingütern aus Chateauneuf du Pape zur gleichen Zeit am gleichen Ort, alle offen und über 4 Stunden von Organisator Uwe Bende zur Verkostung freigegeben - das war am 1. März 2009 für einige Weinfreunde die genussvolle Herausforderung!
Warum machen ausgerechnet diese Weine so an ? Mein Fazit: Im Chateauneuf gelingt die Verbindung von südlich-dichter Opulenz mit Delikatesse und Finesse. Von zart bis hart, oft sogar gleichzeitig! Es sind, auch bei eher „modern“ arbeitenden Winzern, keine eindimensionalen Fruchtbomben und Tannintanker. Sie sind nie langweilig, machen aber auch nicht nervös, sondern strahlen eine ausgeglichene Harmonie und Ruhe aus: Ausdifferenzierte und tiefgründige Charakterdarsteller.
Hier ist das als kurzer Clip festgehalten.
Bei Avignon trennen sich dann die Wege. In die Provence geht es nach Osten weiter, dazu dann mehr in Teil 4. Wir biegen aber kurz nach Westen ab, allerdings nur ein kleiner Schlencker, nicht richtig rein in die gewaltigen Rebmeere des Languedoc, sondern nur zu einem kurzen Stop am Pont du Gard. Da läßt es sich herrlich picknicken und planschen. Als Wein dazu bietet sich ein schöner Rosé aus der in der Nähe beheimateten AOC Tavel an, oder irgendwas Feines von den Costieres de Nimes.
Genuß am/im Pont du Gard |
Um diese Tour du Rhone komplett zu machen in Richtung Mittelmeer geht es dann direkt weiter nach nach Süden, durch ein Gebiet, das ich mehrfach bereist habe. Leider ist dies schon einige Jahre her. In der Erinnerung hat das aber einen besonderen Platz, weil die Gegend zwischen Camargue und den Alpilles einen geradezu magischen Reiz ausübt. Es fehlt die Lieblichkeit der Cote d ´Azur und der "grünen" Provence im Departement Var. Die Gegend ist flach, nackt, die Sonne brennt stärker. Alles wirkt erdiger, direkter. Kein Zufall, daß Nostradamus seine prophetischen Poeme zwischen St. Remy und Salon verfasst hat. In dieser Gegend tritt in trutzigen Bauten das römische Erbe hervor, in der Arena in Arles zum Beispiel. Aber auch das Mittelalter, wie in den wehrhaften Befestigungen von Aigues Mortes und den dicken Mauern der Abtei Montmajour.
Meine ersten Aufenthalte dort galten dem Photofestival in Arles, den Rencontres internationales de la photographie, heute Les Rencontres d'Arles. In der ganzen Stadt, auf den Plätzen und innerhalb der römischen und mittelalterlichen Mauern finden Ausstellungen statt, nach Eintritt der Dunkelheit dann Soirees, damals noch große Projektionen im römischen Theater.
Ich war damals mit dem Genießer (klick) unterwegs. Wenn ich mir die alten Fotos heute so ansehe, tranken wir damals nicht so sehr Wein, sondern sprachen dem Biere zu. Wo es ging kauften oder bestellten wir gern ein Pelforth Brune, "la bière authentique du Nord de la France". Das würde heute anders laufen...
Übernachtet wurde entweder im Auto oder im Zelt. Man war unterwegs "on a Budget", das hieß natürlich auch ambulantes Kochen im kleinen Alutopf. Hier im Bild bei einem Regenguß - und das Anfang Juli im Herzen der Provence.
Eines Tages fuhren wir in größter Mittagshitze ein paar Kilometer nach Norden raus und trafen auf die Mühle von Daudet bei Fontvieille, in der Alphonse Daudet sein berühmtes Jugendwerk Briefe aus meiner Mühle schrieb.
Ganz in der Nähe lag ein großes Feld mit leuchtenden Sonnenblumen, da mußte man natürlich sofort an Van Gogh denken. Der traf hier 1888 ein, 20 Jahre nach Daudets Aufenthalt in der Mühle. Van Gogh hatte hier in seinem "Atelier des Südens" seine produktivste Schaffensphase. Ich hatte keine Staffelei, aber doch mein Stativ und stieg damit aufs Dach des Strich 8er Diesels, auch genannt die Wanderdüne, und machte ein Foto mit meiner Yashicamat 6x6.
Diese heiße Ecke ist natürlich auch Weinland, bis hinunter in die Camargue mit ihrem Vin des Sable. Will man was seriöses Rotes von dort muß man suchen. Einen wahren Cru gibt es allerdings auch, ein mittlerweile unter Weinfreaks weltweit anerkannter Wein, für die Gegend untypisch, ein Solitär: Domaine de Trevallon aus Les Baux-de-Provence. Seit 1973 bereitet der aus dem Elsass stammende Eloi Dürrbach Weine, die unter speziellen mikroklimatischen Bedingungen wachsen. Sie stehen nämlich am Nordrand der Alpilles, den "kleinen Alpen", eine charakteristisch gezackte Felshügelkette. Dort sind sie eher den kälteren Winden aus dem Norden ausgesetzt, die heiße Luft aus der Camargue bleibt außen vor. Der karge Boden ähnelt dem in Chateauneuf du Pape, dicke Kiesel liegen da auf der kargen Erde. Der Trévallon besteht aus Cabernet Sauvignon und Syrah, daher die Einstufung als „vin de pays”, darin übrigens dem Daumas Gassac nicht unähnlich. Wie so häufig bei solchen Outsidern rührt der Kultstatus von einer Vergleichsprobe mit großen Gewächsen aus Bordeaux, aus der Trévallon mit dem 90er Jg. als Sieger hervorgegangen ist. Der Charakter des Weins ist eher kühl, man verzichtet auf Überreife, setzt auf Finesse statt Kraft und viel Alkohol. Der verkostete ´04er passte ganz gut in diese Richtung. In der Farbe noch von intensivem Rot, offenen vegetale Nase, Kräuter, Minze, insgesamt viel Küchengarten. Die Frucht taucht als Sauerkirsche auf, tanzt lebendig im Mund. Wer hier mollige Wärme und und ein Maul voll Frucht sucht, muß sich anders orientieren. Das gibt es hier unten auch. Beim Trévallon ist aber weniger Süden im Glas, geht eher in Richtung Nordrhone.
Wer weiterlesen möchte, bitte, hier geht es zu Teil 3:
Genußtour ins Midi (3) Der Lange Hund...
Fantastic!
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