21.01.2011

Antiweinpolitik in der Türkei

In Deutschland noch erlaubt:
Weingenuß zu herzhaftem türkischen Essen 

Eine der schönsten Weinproben im letzten Jahr war die Verkostung türkischer Weine im Pamukkale Grill im Dortmunder Kreuzviertel. Mit Unterstützung des türkischen Weinversandes aus Bochum konnten sich einige Weinfreunde von der gebotenen Qualität überzeugen, gerade in Verbindung mit würziger Küche.
Aktuell hat der Weinkonsum und damit auch der Weinbau in der Türkei allerdings kräftig Gegenwind durch Antialkoholmaßnahmen der Erdogan Regierung, die an die Ära des osmanischen Sultans Murad des Vierten (1610-1640) erinnern. Der hat den Konsum von Kaffe, Wein und Tabak mit dem Tode bestrafen lassen. Soweit ist es natürlich noch nicht, aber die staatlich-religiösen Eingriffe sind unterwegs. Die staatliche Regulierungsbehörde für den Tabak- und Alkoholmarkt (TAPDK) versucht, den Alkoholverkauf und -konsum massiv zu erschweren.

Die Westdeutsche Allgmeine Zeitung (WAZ) berichtet folgendes:

Alkoholproduzenten wie der Brauerei Efes wird es künftig untersagt, Sportvereine zu sponsern oder bei Sportveranstaltungen zu werben. Werbung für Alkohol wird in jeder Form untersagt. Restaurants dürfen nach den neuen Bestimmungen nicht mehr zum Alkoholkonsum ermuntern. Damit könnte sich ein Kellner schon strafbar machen, wenn er dem Gast ungefragt eine Weinkarte vorlegt.
Bei der Vergabe von Konzessionen für den Alkoholausschank verfahren die von Erdogans Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei (AKP) regierten Städte und Gemeinden immer härter. Selbst in der Umgebung der Touristenhotels in Istanbul führen viele Läden inzwischen weder Bier noch Wein. Geschäftsinhaber berichten vom Druck städtischer Behörden, Alkohol aus dem Sortiment zu nehmen.
Premier Erdogan selbst geht mit gutem Beispiel voran: Der Premier trinkt keinen Tropfen Alkohol und duldet ihn in seiner Gegenwart auch nicht. Er verstehe nicht, warum Leute Wein trinken, erklärte Erdogan jüngst auf einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation, schließlich gebe es doch auch Traubensaft. Gleich in seinem ersten Regierungsjahr erhöhte Erdogan die Alkoholsteuern um 129 Prozent.
Die Abgaben auf Bier stiegen in seinen bisher acht Regierungsjahren um 737 Prozent. Die Flasche des Nationalschnapses Raki, Lieblingsgetränk des Republikgründers Mustafa Kemal Atatürk, verteuerte sich von neun auf 35 Lira. Das sind rund 17 Euro
Horrende Besteuerung und immer neuen Beschränkungen zeigen Wirkung: Zwischen Erdogans Amtsantritt 2003 und 2008 sei der Alkoholkonsum um 34 Prozent zurückgegangen, heißt es in einer Studie der Istanbuler Bahcesehir-Universität.

Schlechte Aussichten also für türkische Winzer und Weinfreunde. Dabei gibt es ja auch sehr ambitionierte Weinprojekte dort. In der oben erwähnten Probe konnte der "Corpus" der Corvus Kellerei auf der Insel Bozcaada glänzen. Auch hört man Gutes von den Sevilem-Weinen aus der Nähe von Izmir. Die sind jedoch in Deutschland leider nicht zu bekommen.



2 Kommentare:

  1. Daran merkt man, wie wenig die Türkei in die EU gehört. Wein und Weingenuss ist schließlich nicht nur in Frankreich ein Kulturgut, sondern in ganz Europa.

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  2. Ja, das macht Sinn.
    Danke für diesen qualifizierten Kommentar!

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