14.03.2010

"Überseeprobe"

Weine aus "Übersee", das klingt so schön romantisch nach der Ferne ! Ich muß da immer an Hamburg und die Landungsbrücken denken, an Hans Albers und Seemannsbraut ist die See. Die aus europäischer Sicht so genannten Überseeweine sind ja tatsächlich alle auf ihre Art europäischen Ursprungs, die Weintraditionen in Kalifornien, Australien, Südafrika und Südamerika sind von den europäischen Besiedlern/Auswanderern/Eroberern begründet worden. Aus den genannten Ländern stammten auch die Weine, die in den Mövenpick Weinkellern probiert werden konnten, mit Schwerpunkt Kalifornien. Von Einstiegsgewächsen wie dem Avalon Cabernet 2006 (gab es schon bei der Weindeuter Veranstaltung auf dem Zeltfest Ruhr im letzten Jahr) bis hin zur 50€ - Klasse aus dem Napa Valley stand da einiges bereit. Keine detaillierte Auflistung, nur ein paar Impressionen, trotzdem mal ein wenig wine-name-droping, muß auch mal sein:
"Coro Mendocino" 2005 von Fetzer (Zinfandel,Syrah,Petite Sirah - Sonderpreis 20€ statt 26€) , Fruchtwürze, Kraft und Weichheit in Balance. "A Pic" Bunnell Family Cellar 2007 (27€) aus Washington State ("Rhone-Mischung" aus Syrah, Cinsault, Mourvedre, Grenache) Es überwog dessertartige Fülle, die (Gerbstoff)bässe fehlten (Zitat vom Geniesser). Dann der Hunnicutt Zinfandel 2006 (nur 26,50€) aus dem Napa Valley, Superwein mit robust-intensivem Auftritt, wirkte auf mich dabei anregend frisch, süffig ohne aufdringliche Süße mit "bescheidenen" 15,5% ! Anders, aber auch klasse der 2007er Dutch Bill Creek Pinot Noir aus dem Russian River Valley. Nicht so laut, fein, viele kleine reife Erbeeren...
Die Garde der 50€ Cabernets stand hinter einer Theke, die wurden serviert. Und da war eigentlich nichts Enttäuschendes dabei. Probiert habe ich den 2006er Napanook/Dominus Estate, Zweitwein vom großen Dominus von Moueix, den 2006er DR II Stephens Estate,  den 2005er Round Pond Estate, den 2007er "Juliet" Beau Vigne Vineyard, den 2005er Col Solare aus Washington State und und den
2006er Cabernet von Caymus - mein Favorit in der Reihe. Alles Weine zwischen 44,50€ und 56€, alles ausdifferenzierte Aromenkonzentrate auf hohem Niveau, keine botox- und silikonverstärkten „Spitzen-Cabernets". Warum schmecken die so gut ? Dazu unten für alle, die es genauer wissen wollen, ein längeres Zitat von einem Fachmann zum Thema, von Martin Kössler.


1  "á pic": Chateauneufkopie aus Washington State, leider ohne Bass
2  Hunnicutt Zinfandel: Erfrischungsgetränk mit 15,5%, only 250 cases produced
3  serve youself...
4  Geniesser, Weindeuter und Uwe "Ch9dP" Bende
5  Die 50€ Klasse wurde eingeschenkt

"So wie der Australier und der Spanier den deutlichen Einfluss neuen Holzes mag, so wie der deutsche Weintrinker wie kein anderer auf der Welt Säure im Wein schätzt, so mag der Amerikaner weiche und harmonische Fülle. Diese erzielt man durch besonders sorgfältige Verarbeitung des Lesegutes und eine entsprechend schonende Vinifikation. Man erzielt sie aber auch im Weinberg, wo die Trauben sehr viel länger an den Rebstöcken hängen können, als bei uns, mit deutlich gleichmäßigerer Temperaturverteilung über die Wachstumsperiode. Beides zusammen ergibt jene sanften, geschmeidigen Gerbstoffe, die die guten Weine Amerikas so charakteristisch auszeichnen. Wir Europäer reagieren darauf gerne ablehend, weil uns die Weine fast schon zu schön vorkommen und unterstellen deshalb den oft schon in der Jugend unverschämt leckeren und "schönen" Weinen wüste Manipulationen. Dabei handelt es sich um pure Natur. So stehen z.Bsp. die Farbstoffe (Anthocyane) in kalifornischen Cabernets in geradzu idealem Verhältnis zu den Tanninen (Polyphenole). Der wohl wesentlichste Unterschied zwischen den Rotweinen der neuen und der alten Welt zeigt sich deshalb in der Dauer der Maischegärung: Während man in Bordeaux meist weit über die alkoholische Gärung hinaus zu extrahieren versucht, trennt man in Amerika während der Fermentation den Wein von der Maische, um die Tannine nicht zu dominat werden zu lassen. Das führt in Verbindung mit gezielt oxydativer Weinbereitung in neuem Holz mit langer Hefelagerzeit dazu, daß heute die Spitzenweine Kaliforniens deutlich besser integrierte Gerbstoffe aufweisen, mit merklich mehr Frucht trotz höherer Extraktwerte, als die meisten europäischen Barriqueweine, geschweige denn Bordeaux."
Martin Kössler  K&U

1 Kommentar:

  1. Das war ein ganz schöner Trubel auf der Weinprobe, und man musste bei dem Massensturm Durchsetzungsvermögen haben, um an die Weine heranzukommen, von denen es ja genug gab. Für meinen Geschmack blieb dabei der Genuss auf der Strecke. Insgesamt fand ich die angebotenen Weine sehr gut - allerdings ist mir keiner durch den Trubel in Erinnerung geblieben.

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