12.03.2010

Genug gelegen, jetzt wird getrunken ! (1)

Ich trinke Wein eigentlich gerne jung. Weiße, knackig frisch, mit Frucht, die noch direkt von den Trauben kommt. Auch gegen satte rote Frucht und jugendliche Gerbstoffe hab ich in der Regel nichts einzuwenden, mir gefällt diese direkte, ungestüme Art. Viele Weine sind heute ja auch auf sofortigen Genuß erzeugt, auch bei seriösen, kleinen Produzenten, auch im Bordeaux zum Beispiel. Diese Schnellebigkeit kann man beklagen, oder eben auch nicht.
Von allen Genußmitteln begleitet aber gerade den Wein der Mythos des Weglegens, der Reifung im dunklen Keller. Traditionell war "großer Wein" stets "alter Wein", der auch heute noch unwiderstehliche Anziehungkraft ausübt, wie etwa auf Weinauktionen, wo für Weinantiquitäten Rekordsummen gezahlt werden. Zu einem gereiften Wein verhält man sich eben oft emotional: Man trinkt vielleicht mal den eigenen Jahrgang, legt Flaschen aus den Geburtsjahrgängen der Kinder weg, läßt im eigenen Keller so manches reifen, um es dann nach Jahren mit einer erhofften Genußdividende öffnen zu können.
All das mache ich natürlich auch. Dabei ist das Alterungspotential vergorenen Traubenmostes keine technische Standardgröße und deshalb nicht zuverlässig und präzise vorhersehbar. Und natürlich wird nicht aus jedem jungen schruppigen Entlein nach 10 Jahren oder mehr ein geschmeidiger Schwan. Deshalb werden nun nacheinander alle Flaschen aus den achtziger und neunziger Jahren aufgezogen und hier vorgestellt. Der erste Kelleropi ist:
Ein Südfranzose aus dem Languedoc, 1997 für ca. 16 DM gekauft, damalige Spitzencuvée der Domaine aus Syrah/Cabernet/Mourvedre mit 14% Alkohol. Ein von Martin Kössler (K&U Weinhalle) seinerzeit hochgelobter Wein mit einer Genußprognose von 5-6 Jahren. Nach 15 Jahren, davon 13 Jahre (durch 2 Umzüge in 3 Kellern) Lagerung nun probiert - und: Der Wein war spitze !  Farbe immer noch kräftig, Duft von Trockenfrüchten und Schokolade, schmelzig, warm. Altgeworden, Nervosität abgelegt, aber nicht müde oder ausgezehrt, immer noch mit Spannkraft (sicher auch bedingt durch die "Langstreckensorten" Cabernet-S. und Mourvedre).
So, genug der Attribute, sonst hab ich ja nix mehr für die noch folgenden Kandidaten der " Altweinvernichtungsaktion".


6 Kommentare:

  1. Meine Erfahrung ist, dass ältere Weine wesentlich bekömmlicher sind als jüngere. Man merkt es am Morgen danach.

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  2. Sehr gut, dann tu ich ja mit der "Altweinvernichtungsaktion" auch noch was für meine Gesundheit !

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  3. Lieber Weindeuter,

    zunächst großes Lob für Deinen Blog, mein Favorit, stets amüsant.

    Ich bin Anfänger und beschäftige mich gerade mit dem Thema Flaschenreife. Meine Weine (meist Spanien, Italien & Kalifornien) liegen im Bereich bis 20 €, manchmal, wenn ich vorher verkosten kann, auch mal bis 30 €. Mit gereiften Weinen habe ich eigentlich keine Erfahrung, letztes Jahr kaufte ich jedoch einen 2002 Legítim de Muller aus dem Priorat, hatte der Händler im Lager vergessen. Eine Flasche war fantastisch, ziegelrot bla bla, echt eine Bombe, die andere konnte man vergessen und war über dem Zenit. Dann den 2006 getrunken, war eher langweilig. Ich weiss ja jetzt nicht ob 2002 das Hammer Jahr in Spanien war, aber ich dachte schon das die Flaschenreife den Ausschlag für den einen Bomben Wein gegeben hat. Der langen Rede kurzer Sinn, bzw. die Frage, glauben oder wissen Sie, das Weine dieser Preisklasse durch Flaschenreife also Tertiäraromen deutlich zulegen können oder ein Wein von dem z.B. Mövenpick bis 2018, Parker bis 2026 schreibt aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 2016 schlechter oder zumindest nicht besser schmecken wird als jetzt? Oder ist die Antwort, bei dem einen vielleicht ja, bei dem anderen vielleicht nein? Das Thema optimale Lagerung mal außer Acht gelassen, weil ich keinen Weinkeller besitze.


    Hoffe auf Antwort und weiter Erfahrungsberichte von ”Genug gelegen, jetzt wird getrunken".

    Grüße aus Hamburg,
    Felix

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  4. @Felix
    "...das Alterungspotential vergorenen Traubenmostes keine technische Standardgröße und deshalb nicht zuverlässig und präzise vorhersehbar."
    Natürlich können auch "kleine Weine", der De Muller ist ja ein einfacher Crianza für ca. 7€, schön reifen, die Frucht wird weniger, die Gerbstoffe "schmelzen ab", alles harmonisiert sich - Reifenoten halt. Wenn man ein Freund von Reifenoten/Tertiäraromen ist (ist ja nicht jeder) sollte man die ruhig auch ein paar Jahre weglegen, Unterschiede zwischen einzelnen Flaschen können natürlich durch unterschiedlichen Oxydationsverlauf vorkommen (s.o). Ich würde mir keine größere Menge 10€ Weine kaufen + sie dann in der Hoffnung auf Genußdividende 10 Jahre unangetastet weglegen. Besser zwischendurch immer mal wieder probieren + den stand der Dinge testen. Macht doch auch viel mehr Spaß...

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  5. Ich kann mich gut erinnern an die Chemins de Barssac. Richtig gut entwickelte sich das über viele Jahre .. für kleines Geld ein richtig anständiger Stoff.. nun aber lang nicht mehr im Glas und auch nicht mehr im Keller gehabt. Schön zu lesen das es noch immer Vergnügen bereiten kann davon eine alte Buddel zu killen.

    Viele GFrüße

    Uwe

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