Auch wenn der Freitagabend nur das Vorspiel zur großen Probe am Samstag ist, kommt danach auch weiterhin nur Gutes und Großes ins Glas. Eine glückliche Fügung, gewiß, aber beim Priorat-Hammer auch nicht anders zu erwarten...
Dann noch was aus dem Roussillon, eine Entdeckung:
Château Mossé "Le Blues" 2005. Die Flasche war seit 4 Tagen offen, irres Zeug, intensives Konzentrat, dabei ganz fein, erster Suchtstoff, erste Flasche zum Thema "Weine, die man so nicht kaufen kann". Geht sogar noch etwas über den Ch9 des Abends.
Als ich mich in der Küche um das Zusammenstellen der Käseplatte kümmere, sehe ich im Kühlschrank eine einsame Flasche, der Rest einer Traminer Beerenauslese, na das passt doch, denke ich. Und das Beste, der Wein wächst in der Nähe, nur etwas über 30 Kilometer östlich von Coswig in einer sächsischen Weinenklave auf dem "nördlichsten Qualitätsweingut Deutschlands":
Weingut Hanke, Traminer Beerenauslese2003, Sachsen – Bereich Jessen / Elster. Ein Schwergewicht aus dem heißen Jahr, ein süßer Vollschmecker, die 16° Alkohol schlagen durch.
Irgendwie kommt das Thema dann auf
Grüne Chartreuse, und Torsten sieht sich genötigt, eine Flasche davon aus seinem Keller zu holen. Ich hatte bis dahin diesen Kräuterdigestiv noch nie vorher im Glas. Doch Achtung, Vorsicht ist hier angesagt! Denn dieses ungemein ätherisch-duftende Elixier aus den französischen Alpen hat 55% Alkohol. Es ist jetzt halb drei in der Nacht, Zeit für die Bettruhe...
Und das ist das Stichwort, um endlich den Übernachtungsplatz in Coswig vorzustellen, die Pension entbehrt nicht einer gewissen Skurrilität. Es ist der
Weinhof an der Elbe. Von außen nur ein kleiner Flachbau zwischen zwei Siedlungshäuschen mit einem überdimensionierten Hinweisschild obendrauf.
Doch wie so oft trügt der Anschein, so auch hier. Der Flachbau ist nur der Durchgang zu weiteren Gebäuden dahinter, gruppiert um einen großen Innenhof, vollgestellt mit Gartenkram und Bänken, darüber ein gewaltig rankender Rebstock. Und da hängen, Ende November, einen Tag vor dem 1. Advent noch jede Menge dunkle Trauben dran. Ideale Location für die Probe also, die hier heute Abend steigen soll, unten rechts in dem Flachbau...
Doch vorher geht es noch ein paar Kilometer rauf in den Norden, in den Hohen Fläming. In diesem kleinen wildromatischen Hügellland zwischen Magdeburg und Berlin liegt einsam auf einer Kuppe die
Burg Rabenstein. Da ist heute Weihnachstmarkt und da haben sich der Priorat - Hammer und Jaume mit ihrem Weinstand in der Folterkammer eingerichtet.
Auf der Streckbank, abgedeckt mit schwarzem Samt, sind die Weine aufgebaut. Das hat originelle Klasse, das hat Stil, das gefällt auch den Besuchern. Jaume Roca kommt angesichts der ausgestellten Marterwerkzeuge eine blendende Idee: Er gäbe gern und gratis eine Einführung in die Methoden der spanischen Inquisition. Nur, wer dann wolle, dass die Folter aufhöre, der müsse dann natürlich zahlen – und nicht zu knapp.
Zurück nach Coswig, zurück in den Weinhof an der Elbe. Hier gilt es jetzt, hier kommen jetzt rare Wein ins Glas, das Line - Up steht. Mit am Tisch dann eine Überraschung. Mit dabei ist ein weiterer Winzer, Frank Hanke aus Jessen, der Macher des Edelsüßen vom Abend zuvor. Seine charmante Frau übernimmt den Fahrdienst, sodaß er ungehemmt ist, die Erzeugnisse seines Kollegen aus dem Priorat zu verkosten, also Feuer frei...
Und so kommt es, Torsten und sein Freund Jaume entzünden im Verlauf des langen Abends ein Weinfeuerwerk der Extraklasse, immer ungewöhnlich, manchmal fordernd, nie langweilig.
Zunächst kommen zwei Weiße in die aufnahmebereiten Gläser:
Als Einstieg in die Rotweine kommt zunächst dreimal Èlia, der Einstiegswein aus Grenache, Syrah und Cabernet von Jaume Roca (2009, 2010, 2011). Dreimal volle Frucht, volles Maul, konzentrierte Blaubeerbomben mit starkem Fundament. Erinnern mich irgendwie an einen guten Gigondas von der Rhone, herrlich.
Als Kernstück des Abends wird dann eine Pater – Vertikale gestartet. Dieser Grenache aus über 80 Jahre alten Reben gehört laut Torsten Jahr um Jahr zu den zuverlässigsten und besten Weinen des Montsant. Hier ist 100% Grenache/Garnacha das bestimmende Thema. Sechs Flaschen stehen bereit, durchgehend von 2005 bis 2010. Allesamt durch die Jahrgänge hochkonzentrierte Gewächse. Die Theke im Weinhof an der Elbe wird zum Altar, ein Hochamt für die versammelte Prioratgemeinde, die Unterschiede und Nuancen fordern heraus. Torstens Eindruck und ein herrliches Beispiel gelungener Verkostungslyrik zum ´09er: "Jetzt schon ein kleines, ständig wachsendes Nasentier, anspringend und sich fest krallend. Am Gaumen voll und viel Druck...Intensiv am Gaumen und von schöner Länge. Macht Spaß, will aber noch Zeit, sich komplett zu finden. Derzeit noch recht ungestüm am Gaumen. Er wälzt sich eher unruhig auf der Lagerstatt hin und her, statt friedlich zu schlafen. Lasst ihn einfach noch in Ruhe und geht aus dem Raum..."
Für genaue Verkostungsanalysen dieser und der anderen Flaschen bitte beim Priorat-Hammer Blog
hier anklicken.
Man hätte hier bereits auf hohem Niveau den Abend beenden können, aber Torsten wollte die Chance nutzen, er ließ es sich nicht nehmen, ein paar besondere Raritäten aus seiner Selektion vorzustellen, die man nicht jeden Tag in die Gläser geschüttet bekommt. Ich hab mir das gerne gefallen lassen...
Celler Castellet, Empit Selecció 2011, Priorat. Auch hier Carignan, irre Nase, kühle Frucht, erinnert an einen sehr guten Nordrhone-Syrah. Torsten: "Ein Nasentraum, tief, schwarz und sündig. Teufel und Hexen marschieren hier auf und hören Gothic. Zur typischen Porrera – Carignan Aromatik gesellen sich After Eight und Cannabisduft. Der ganze arabische Basar ist zu Besuch gekommen."
Dann noch ein 100% Carignan, die laufen heute, ebenfalls eine rote Weinwand, die erklommen werden will:
Celler Aixala Alcait, Costers d´ Alzina2011, Priorat, deutlich weniger als 1.000 Flaschen., Torsten: "...eine dunkle, schwarze Gothic-Nase. Das ist Carignan vom Feinsten, sehr elegant und tief., ein Wein anstelle des Desserts, in kleinsten Dosierungen sparsam zu genießender Tropfen mit Suchtpotential".
Dann nochmal ein Wein von Jaume Roca, er steht auf und gießt ein. Was kann nach all den Knallergeschützen jetzt noch kommen? Nun, es ist das Flagschiff von
Ficaria Vins, Cerverola 2011, 15,5%, 34€. 100% Grenache vom Allerfeinsten, Alkohol wunderbar eingebunden, Muskelspiel, dabei elegant bleibend, nur 500 Flaschen insgesamt.
Ganz zum Abschluß dann noch etwas Süßes:
Sangenis I Vaque, Simfonia en Dolc 2007, Priorat. Auch hier ein knappes Gut, nur 800 von den schlanken 0,5er Flaschen gibt es.
Der Priorat-Hammer und Jaume Roca nach der Probe: Starke Analyse, hohe Genußfähigkeit und enormes Durchhaltevermögen.
Priorat trifft Sachsen, für den Jessener Winzer Frank Hanke waren die charakterstarken Roten aus dem Priorat Neuland.
Analysieren, Aufschreiben, punkten, das unterscheidet eine seriöse Probe von einem schieren Besäufnis - zum Glück...;-)
Gut durch den Abend gekommen, der Weindeuter mit charmanter Winzersgattin.
Nach kurzer Nacht dann das Nachspiel beim Torsten am Haus. Dort wurde die ein oder andere Kiste in den Kombi geladen.
Alle Weine bei
Torsten Hammer (klick). Und keine Sorge, man muß nicht unbedingt hinfahren (sollte man aber). Der Priorat - Hammer versendet auch...