31.07.2013

Genußtour ins Midi (1) Beaujolais und Lyon



Hier der erste Teil einer kleinen virtuellen Genußtour, passend zum Sommer: Das Rhonetal hinunter ins Midi. Am liebsten würde ich ja sofort ins Auto steigen und mich dahin aufmachen. In diesem Jahr steht jedoch ein anderes Ziel auf der Agenda. Deshalb hier das Ganze zusammengesetzt aus Reisen der letzten Jahre, auch das ergibt ein (wein)genußreiches Puzzle.

Die schnellste Route vom Ruhrgebiet in den Süden geht über Luxemburg, Metz, Nancy, Lyon. Reben tauchen da natürlich schon zeitig auf, schließlich wird das ehrwürdige und traditionsreiche Burgund durchfahren. Dem Lauf der Saone folgend, kurz vor Lyon , erreicht man dann die lieblichen Weinberge der AOC Beaujolais. In der Menge bekannt für leicht trinkbare und bekömmliche Rote aus der Gamaytraube. Vom Kult um den Beaujolais nouveau will ich jetzt hier gar nicht reden, das ist letzthin eine Marketingmaßnahme, die, wie man hört, auch schon wieder im Abklingen ist. Dabei gibt es aus dem Beaujolais auch richtigen Stoff, die Crus sind ja bekannt: Saint-Amour Juliénas, Chénas, Moulin à Vent, Morgon, Chiroubles, Fleurie, Brouilly, Régnié. Da kommen Weine her, die gerne im Lande bleiben und von Liebhabern des Goût de France geschätzt werden. Nie zu schwer, kirschig intensive Frucht, moderat in den Gerbstoffen...



Ein schönes Beispiel für diesen Typus hatte ich vor kurzem im Glas: L ´Ancien 2009 Domaine Terres Dorees von Jean Paul Brun

Was mir zum Beaujolais sofort noch einfällt? Clochemerle! Eine herrliches Buch von Gabriel Chevallier, ein französischer Klassiker um die politischen Ränkespiele in einem Dorf, eine Provinzposse, sehr humorig geschrieben, mit Liebe, Sex, Korruption und ganz viel Wein...




Das Beaujolais hat viele Jahre den Durst der Stadt Lyon gestillt, es stellte die Versorgung der Arbeiterschaft dort mit bekömmlichem Rotwein sicher. Daher rührt immer noch der Pott Lyonnais / Pott Beaujolais. Eine Servierflasche mit einem besonders dicken Glasboden, der es ermöglicht, den Wein auf dem Tisch länger kühl zu halten. Dafür wird die Flasche vorher im Eisfach gekühlt. Sie fasst mit 46 cl. die Weinportion eines Arbeiters zum Mittagsmenü. Ein durchaus vernünftiges Maß also... Auch heute wird in Lyon der offene Wein in der Regel aus dem Pott serviert, wobei der Tischwein durchaus auch ein südlicher, also ein Cotes du Rhone sein kann. Lyon liegt ja genau dazwischen.




Lyon also, für mich eine faszinierende Metropole, nach Paris und Marseilles mit knapp 500.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt in Frankreich. Ich bin erst im letzten Herbst für drei Tage dort gewesen. Sehr abwechslungsreiches Stadtbild, durch die Topographie was fürs Auge. Die beiden Flüße Saône und Rhone strukturieren die Stadt, es gibt Wasser, Brücken, Hügel. Lyon ist eine Stadt des Genusses, bekannt für seine Küche, lange Zeit geprägt durch die Mères lyonnaise, die (Koch)mütter der Stadt. Paul Bocuse, immerhin mit der Küche der Mère in Lyon aufgewachsen, hat zwar mal behauptet Frauen könnten nicht an der Spitze kochen, da ihnen dazu die nötige Phantasie abginge. Aber das ist natürlich Unsinn und seinem Machismo geschuldet. Sein Lokal L’Auberge du Pont de Collonges liegt etwas außerhalb in Norden der Stadt am Ufer der Saone. Ein schöner Bericht, wie es in diesem buntbemalten 3-Sterner heute so zugeht hier bei Tres Etoiles (klick).




Gewohnt haben wir direkt im letzten Herbst auf der Presqu'île, der "Insel" zwischen Saone und Rhone kurz vor ihrem Zusammenfluss. Ein schöner Stadtspaziergang von da war rüber über die Saone in die Altstadtdt. Vieux Lyon gehört seit 1998 zum Unesco Kulturerbe. Viele Gassen dort, sehr pittoresk mit vielen urigen Kneipen mit karierten Tischdecken und deftigen Klassikern der Lyonaiser Küche. Doch Vorsicht, da ist es sehr voll durch großen Touristenzuspruch, einige von den Bouchons sind auch ausgesprochene Abfütterungsstationen, man muß da genau hinsehen.



Oberhalb der Altstadt geht es steil aufwärts, oben liegt die Basilika Notre Dame de Fourvière. Ein exponiert imposantes Bauwerk, anspruchgebietend dominiert es von da über die Stadt, weißstrahlend, ein antilaizistisches Statement ganz im Sinne des Renouveau Catholique. Immerhin bietet sich von da eine großartige Aussicht. Im Vordergrund breitet sich die Stadt aus, bei guter Sicht zeigen sich am Horizont die Alpen, klitzeklein und nur mit gutem Auge ist dann auch der Montblanc zu sehen. Edel Essen kann man da oben auf dem Berg auch, in einem modernen Flachbau mit viel Glas hat Christian Têtedoie seinen 1-Sterner gefestigt (klick).








Zwischen den urigen Bouchons und der Hochküche bieten sich in Lyon für eine Einkehr die Brasserien an. Bekannt ist z. Bsp. Brasserie Georges beim Gare de Perrache, allerdings ist das schon ein ziemlich großer Laden. Wir haben uns an einem Abend für die Brasserie l´ Espace am zentralen Place Bellcourt entschieden. Hier werden Standards aufgetischt, allerdings mit Sorgfalt und Liebe zum Detail. Zunächst ein südlich inspiriertes Tartar de légumes mit pochiertem Ei. Dann zwei Klassiker: Quenelle, in diesem Fall eine große Nocke aus Hechtfarce und Ei, sehr fluffig mit einer herrlich safrangefärbten Sauce. Als Dessert ein Baba au Rhum, nix für Mädchen, viel Stoff schon im Teig, ein Gläschen vom feinen, weichen Rum dann noch separat serviert, lecker...





Weingeographisch liegt Lyon, wie schon erwähnt, quasi in der Mitte. Im Norden das Beaujolais und im Süden, kurz hinter Vienne, beginnen die Weinberge der nördlichen Rhone. In der Stadt wird (nur) getrunken. In der Filiale der frankreichweiten Weinkette Nicolas hatte ich in Lyon übrigens einen peinlichen Auftritt. Nach anstrengender Stadtwanderung enterte ich den Laden mit Rucksack. Ich wollte eigentlich nur ein Weinglas für eine Verkostung in der Ferienwohnung kaufen, bewegte mich aber ungeschickt zwischen den (engen) Regalen und leider wie der Elefant im Porzellanladen: Es kippten, durch den Rucksack angestoßen, mehrere Flaschen ins Schaufenster. Darunter eine Magnumflasche Rosé. Ergebnis: Chaos in der Dekoration, ein genervter Verkäufer - aber: Keine Scherben, alle Flaschen blieben heile.



Verkostet wurde aus den dort gekauften Gläsern dann natürlich ein Cru aus dem Beaujolais, gekauft in einem wirklich empfehlenswerten Laden mitten in Vieux Lyon mit enormen Sortiment. Sowohl Beaujolais/Burgund als auch die Rhone waren prominent vertreten: Antic Wine Lyon. Und der Laden kann sich rühmen, verblüffende Auszeichnugen erhalten zu haben (Zitat):

GRAND PRIX CAVISTE DE L’ANNEE 2010 PAR LA REVUE DU VIN DE FRANCE
BEST PORTO SHOP IN THE WORLD
BEST WINE SHOP FRANCE BY USA W.SPECTATOR




Nun, hier hab ich kein Unheil angerichtet, sondern eine schöne Flasche Beaujolais gekauft. Clos de la Roilette "Griffe du Marquis" Appellation Fleurie 2010 (13%/16€) war eine Flasche mit Old school - Aufmachung. Intensive Aromatik, für eine Gamay überraschend kräftige Farbe, dunkelduftig, würziges Lakritz, über allem aber die für einen Beaujolais so typische verführerische Kirschfrucht.




Verkostet wurde im Ferienappartement, wie schon erwähnt sehr zentral gelegen mitten in der Stadt. Gegenüber war die Kiff-Pizza. Gegessen haben wir da nicht, doch der Blick war so schön, deshalb zum Abschluß der Etappe das Bild oben...




08.07.2013

Trévallon und Estanilles


Heute ist Ruhetag bei der Tour de Frannce. Der gesamte Troß zieht von den Pyrenäen in die Bretagne. Eine gute Gelegenheit, die beiden zur Tour durch die Provence (klick hier) und durch das Languedoc (klick hier) verkosteten Weine vorzustellen. Bitte auch bei Tour des Vins 2013 reinschauen.


Domaine de Trévallon 2004 (aktuelle Jg. ca 44€ /13%) Ein Cru aus dem vinologischen Niemandsland. Mittlerweile ein unter Weinfreaks weltweit anerkannter Wein, für die Gegend untypisch, ein Solitär aus Les Baux-de-Provence. Dort bereitet der aus dem Elsass stammende Eloi Dürrbach Weine, die unter speziellen mikroklimatischen Bedingungen wachsen. Sie stehen nämlich am Nordrand der Alpilles, den "kleinen Alpen", eine charakteristisch gezackte Felshügelkette. Normalerweise eine heiße Ecke, aber am Nordrand sind sie den den kälteren Winden aus dem Norden ausgesetzt, die heiße Luft aus der Camargue bleibt außen vor. Der karge Boden ähnelt dem in Chateauneuf du Pape, dicke Kiesel liegen da auf der kargen Erde. Der Trévallon besteht aus Cabernet Sauvignon und Syrah, daher die Einstufung als „vin de pays”, darin übrigens dem Daumas Gassac nicht unähnlich.
Wie so häufig bei solchen Outsidern, rührt der Kultstatus von einer Vergleichsprobe mit großen Gewächsen aus Bordeaux, aus der Trévallon mit dem 90er Jg. als Sieger hervorgegangen ist.
Der Charakter des Weins ist eher kühl, man verzichtet auf Überreife, setzt auf Finesse statt Kraft und viel Alkohol. Der verkostete ´04er passte ganz gut in diese Richtung. In der Farbe noch von intensivem Rot, offenen vegetale Nase, Kräuter, Minze, insgesamt viel Küchengarten. Die Frucht taucht als Sauerkirsche auf, tanzt lebendig im Mund. Wer hier mollige Wärme und und ein Maul voll Frucht sucht, muß sich anders orientieren. Das gibt es hier unten auch. Beim Trévallon ist aber weniger Süden im Glas, geht eher in Richtung Nordrhone.




Chateau des Estanilles Cuvée Prestige 2007 Faugéres (12€ /14,5% 20% Grenache, 20% Syrah, 20% Mourvèdre, 20% Carignan, 20% Cinsault)Einer der Crus des Languedoc, Faugéres und die gleichnamige AOC Faugéres liegen schon am "Hang", d.h. an den Südausläufern der Cevennen. Die Appellation ist berühmt für ihr Terroir, nirgends sonst im Languedoc findet sich nämlich eine solche Häufung von Schiefergestein. Estanilles wurde 1976 von Michel Louison gegründet. Der war damit einer der frühen Qualitätspioniere in dieser Gegend derMassenerzeugung und Überproduktion (klick).
Nach dem Verkauf im Jahre 2009 hat Julien Seydoux übernommen, von Haus aus kommt der aus dem Finanzbusiness und krempelt auf Estanilles so einiges um. Details dazu hier bei The Vine Route (klick).
Der verkostete 2007er stammt also noch aus der Hand des Gründers. In der Nase ein kleiner Syrah-Stinker, nach Öffnung dunkle Frucht, eher straff als breit, eine übertriebene Fruchtigkeit oder überhitze Konzentration ist auch hier nicht im Glas. Hat zwar mehr Rustikalität und Kraft als der Trévallon, die holt er aber nicht aus dicken Muskelpakete.