30.03.2013

Libanon kommt - Probe mit Spitzengewächsen



Weine aus dem Libanon sind hierzulande Exoten. Weinlaien können damit gar nix anfangen. Die fragen höchstens, in völliger Unkenntnis der Materie, was denn "die Moslems da unten mit Wein zu schaffen hätten". Weinfreaks fällt dazu meistens nur der schon lange eingeführte Chateau Musar ein. Das ist, wie leider so vieles in dieser Welt, vollkommen ungerecht.

Zunächst ein kurzer Blick zurück. Der Weinbau im Libanon hat eine lange Tradition, ist aber bis in unsere Zeit gekennzeichnet durch den Wechsel von Niedergang und außerordentlichen Zeiten des Wachstums.
In der Antike gehörte das Gebiet des heutigen Libanon zum historischen Kanaan, wo ja bekanntlich schon Jesus Wasser in Wein verwandelt hat. Man bewegt sich beim Verkosten sozusagen auf biblischem Boden.
Die Phönizier sorgten für den ersten großen Boom. Sie verbreiteten mit ihren Schiffen die reichhaltigen Weine der Levante im ganzen Mittelmeerraum, die ersten Weinhändler der Welt.
Während der langen muslimischen Herrschaft hielten Juden und Christen das Wissen um die Rebkultivierung aufrecht, die Weinproduktion wurde in geringem Umfang bis in die Neuzeit nach antiken Methoden betrieben.
Spannung kommt erst wieder Mitte des 19. Jh. durch die Franzosen ins Spiel. Unter ihrem Schutz wird die autonome Provinz Mont Liban ausgerufen, 1857 legen Jesuitenmönche den Grundstein für den neuzeitlichen Weinbau und gründen das Weingut Ksara, nach einer ehemaligen Festung aus der Zeit der Kreuzritter.
Während der französischen Mandatszeit zwischen den Weltkriegen steigt die Nachfrage nach Wein, Beirut wird zum "Paris des Nahen Ostens". Es kommt zu umfangreichen Neupflanzungen, vorwiegend französische Rebsorten wie Cinsault, Carignan, Mourvèdre, Grenache, Merlot, Cabernet Sauvignon, Syrah, Sauvignon Blanc, Blanc, Sémillon und Chardonnay.
1930 gründete Gaston Hochar Château Musar, das legendäre Weingut, welches bis heute für den libanesischen Wein ein dickes Ausrufezeichen setzt und einen Platz unter den Crus dieser Welt behaupten kann.
Erneuter Rückschlag dann durch den libanesischen Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990. Rebberge im Bekaatal wurden zerstört, der Weinbau kam beinahe zum Erliegen.
Wenn heute wieder von einer Renaissance des libanesischen Weinbaus die Rede sein kann, sprechen wir hier von einer Entwicklung der letzten 20 Jahre. Viel Geld wurde in die Modernisierung der Weingüter gepumpt, gleichzeitig gab es Neugründungen, z.T. innovative Boutique-Weingüter mit ausländischem Kapital und Beratung.
Im Jahr 2010 erzeugten im Libanon rund 40 Weingüter auf rund 30.000 ha etwa acht Millionen Flaschen, wobei die sechs größten Erzeuger (Château Ksara, Château Kefraya, Château Musar, Château St. Thomas, Domaine Wardy und Massaya) für 85% der Jahresproduktion verantwortlich sind.

Vielleicht gibt es ja auf dem deutschen Markt Bewegung in Richtung Weine aus der Levante. Zumindest in der Berichterstattung tut sich was. Hendrik Thoma (klick) war vor kurzem im Bekaa Tal unterwegs, auf der Prowein gab es einen großen Gemeinschaftsstand, aktuell gibt es bei Captain Cork einen Libanesen, wenn auch wieder "nur" Chateau Musar.

Ich hatte schon im letzten Dezember Gelegenheit, an einer beeindruckenden Leistungsschau libanesischer Weinkunst teilzunehemen. In der Phönicia-Lounge in Bonn hielt man sich dabei nicht groß mit Präliminarien auf, sondern brachte wirkliche Spitzen aus dem Morgenland in die aufnahmebereiten Gläser. Eines vorweg: Wer bei Wein und Libanon "heißgekochte" und plumpe Gewächse voller Alkohol assoziiert liegt falsch. Die Tropfen profitieren in ihrer Gesamtaromatik von der ausgeprägten Höhenlage vieler Pflanzungen, z. T. bis in weit über 1000 Meter Höhe. Und man spürt, daß sich viel französisches Know-How bei der Abstimmung der Cuvées erhalten hat. Es kommt durchweg Wohlgeschmack ins Glas, welcher einen harmonischen Trinkfluss befördert. 


Chateau Fakra 2008 "Pinacle" (Cabernet/Syrah/Cinsault 13% / 9€) Zu Beginn schon ein herrliches Duftsträußchen, fruchtbetont, sehr frische Frucht, wache Säure, Thymian, Vanille, schöner Einstieg für unter 10€.

Domaines des Tourelles 2010 (Cabernet/Syrah/Cinsault 14% / 12€) Auch hier ganz auf der Fruchtlinie, appetitanregende Frische, kein Sattmacher, genau richtig für den Beginn.

Clos de Cana Rouge 2005 (Cabernet/Grenche/Syrah/Cinsault 13% / 9€) Sehr offene Nase, saftige Süße, erste Reife, fein, nicht fett.


Domaine Wardy Syrah 2007 (13,5% / 12€)% Es wird kräftiger, dunkler, blickdicht im Glas, kleiner Torfstinker, satter Fruchtkern, feines "süffiges" Tannin, Reifesüße, pendelt schön zwischen würziger Erde und beeriger Frucht.


Clos de Cana "Valée Lamartine" 2003 (Cabernet/Merlot/Syrah 13% / 15€) Viel Duft, Reife, erste Steigerung in Richtung Hedonismus im Glas. Weiche cremige Frucht, in der Mitte ein Sauerkirschkern, sehr gute Länge, ideelle Mischung aus Bordeaux und Chateauneuf du Pape. In der Mittelkasse unter 20€ ein Top-Wein.


Marquis des Beys "Grande Cuvée Pierre L. Brun" 2009 Domaine des Tourelles (Cabernet/Syrah 14%  / 25€) Ein Vollschmecker, intensiver Wein, seidige Nase, füllt den Mund sehr stimmig, raffiniert, erstes Raunen am Tisch, bisher der Beste.


"Perseides" Chateau Khoury 2007 (Syrah/Cabernet/Merlot 14,5% / 32€) Orientalische Aufmachung, wiederum offene Nase, etwas mehr Süße am Gaumen, recht weich, klassischer warmer mouth-pleaser Stil.


EL Ixir 2009 13,5% / ca. 40€) Neues Weingut mit interessanter Kellerarchitektur, moderne Aufmachung, hier hat man viel Geld in die Hand genommen und noch einiges vor. Die Önologie liegt in spanischen und französischen Händen. Ixsir will mit dem EL hoch hinaus, meldet Premiumanspruch an. Der Wein präsentiert sich sehr ausgewogen, will den Anschein zu hoher Konzentration vermeiden. Im Ergebnis viel internationale Eleganz, bei aller Reichhaltigkeit geschliffen.

Chateau Nakad 2005 (Cabernet/Syrah/Grenache/Merlot 14%/23€) Nach dem EL ein kleiner Schritt zurück, kann aber bestehen. Viel Frucht, Schoko, Mundfüller, geht in Richtung Perseides. Mattschwarze Flasche.


"Comte de M" 2006 Chateau Kefraya (Cabernet/Syrah14% / 40€)  Ein Großer, gilt nach dem Musar als die Nummer 2. Was kann der Comte? Ein Bordeaux im Glas? Ein Großer etwa? Schmelz, Eleganz, Cassis, Süßkirsche, Crema, Rauch, Tabak, Zigarrenkiste, Touch of Magic. Alles drin, mein Favorit des Abends, absoluter Top-Wein.


"Le Souverain" Ksara 2006 (Cabernet/Arinarnoa 13,5% / 45€) Ksara ist DER Klassiker im Libanon, seit 1857 von Jesuiten aufgebaut, 1973 nach einer Entscheidung des Vatikan privatisiert. Großer Betrieb mit insges. 300 Hektar Rebfläche, stetig modernisiert. Liefert sich mit Kefraya stets ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dies ist der Spitzenwein, zum 150. Jahresjubiläum des Traditionsgutes produziert (1857-2007) aus 50% Cabernet Sauvignon und 50% Arinarnoa, einer sehr seltenen Rebsorte (weniger als 120 ha weltweit), einer Kreuzung zwischen Merlot und Petit Verdot. Stoff pur, hochkonzentrierte Granate, die ihren Hedonismus ungehemmt zur Schau stellt. Er wäre der Souverän, sicher. Wenn nicht an diesem Abend in Bonn auch noch die anderen Anwärter auf den Thron in die Gläser gekommen wären.


Aurora Cabernet Franc 2010 13,5% / 35€) Schon zum zweiten Mal verkostet, kommt sehr mitteleuropäisch daher. Waldboden, Trüffel, dunkle Früchte, ein Charakterschluck, sozusagen der Barolo der Verkostung - herrlicher Wein. Aurora ist eine Neugründung, nur 4000 Flaschen werden insgesamt pro Jahr auf 1,4 Hektar erzeugt. "Garagenwein" mit hohem Qualitätsanspruch.



Chateau Musar 1986 (Cabernet/Carignan/Cinsault 86er ca. 100€ / aktueller JG. ca. 30€) Und dann kam er doch noch ins Glas, die Legende. Ein Wein aus dem Libanon, der den Weg in die Gläser leidenschaftlicher Weintrinker planetenweit findet. Aus in 1000 Meter Höhe im Bekaa Tal gereiften Trauben wird er in Beirut in einer im Jahr 1930 gegründeten Kellerei bereitet. In den letzten Jahren habe ich in großen Abständen immer mal wieder einen MUSAR probiert. Manchmal: Enttäuschend, über den Berg, trüb + oxydativ. Meistens aber: Faszinierend, schillernd, - wie dieser herrlich gereifte 1986. Relativ hellfarben, tiefduftig in der Nase, süßwürzige orientalische Noten von getrockneten Früchten, Orangenschale. Nicht dick und aufdringlich, sondern fein und differenziert, der Wein tänzelt, eine insgesamt faszinierende und eigensinnige Aromatik, die viel "Gefühl" freisetzt. Wenn man schon Analogien anstellen will, wäre dies der Burgunder der Probe. Und somit ein würdiger Abschluß.












13.03.2013

Steht noch: Mondavi Napa Zinfandel 1998



Ein Wein für einen 15. Geburtstag aus dem Keller holen, das war die Aufgabe. Einen ´98er, das Geburtsjahr der Tochter. Die soll natürlich einen Schluck abbekommen, der Rest ist dann den anwesenden Weinfreunden vorbehalten. Bordeaux aus dem Jahrgang ist da, aber halt: Warum nicht den Mondavi - Zinfandel? Der muß wohl langsam weg, das Etikett mit dem gerissenen oberen Rand löst sich ja schon ab.

Zinfandel Napa Valley 1998 Mondavi Winery (14,6% /23€) 15 Jahre sind für einen California - Zinfandel eine durchaus lange Reifezeit. Es sind häufig fette Fruchtbomben, extrovertiert und mit viel Schmackes, oft jung so überwältigend, süffig, säure- und gerbstoffarm, daß sie runterlaufen wie Brombeersirup mit Red Bull.

Was soll man da groß reifen und altern lassen? Die Empfehlung lautet hier eigentlich immer: Jung trinken. Damit es nicht in aromatische Peinlichkeit abgleitet. Wer will schon ´nen alten Tattergreis in Lederfransen auf der Harley im Glas. Was kann der geöffnete ´98er also, was bringt er noch? Ein Umstand kommt dem hier aber Wein zugute. Mondavi setzt bei seiner Napa-Linie nicht auf maximale Frucht und Sättigung, sondern versucht, immer eine gewisse Finesse zu bewahren.

Das Programm ist mittlerweile umgestellt worden. Die "gerissenen" Etiketten gibt es nicht mehr. Auch ein Zinfandel taucht bei den normalen Napas und den Reserve Napas nicht mehr auf. Was mich wundert. Denn es scheint mir, daß Zinfandel in Richtung "üppig und voll" aus Kalifornien durchaus eine Renaissance erleben könnte. Dave Phinney mit seinen Orin Swift Weinen ist da so ein Beispiel. Er macht Weine, die in ihrer Aromatik nicht gerade durch Schüchternheit auffallen. The Prisoner, Saldo und Papillon sind hochkonzentrierte und reifesüße Alkoholbomben (klick).

Aber zurück zu Mondavi. Nur noch in der günstigen Zone unter 10€ zinfandelt es noch: Woodbridge Zinfandel und Twin Oaks Zinfandel sind als einfachere Konsumqualitäten in Riesenstückzahlen erhältlich. Aber die sind mit dem verkosteten Napa Zinfandel nicht zu vergleichen. Denn dieser, und das erfordert nicht nur die Dramaturgie dieser kleinen Geschichte, sondern das ist die reine Wahrheit, steht noch sehr ordentlich im Glas. Feiner Rauch strömt, Karamell, warme Reifenoten, im Mund noch überraschend saftig, keineswegs müde. Hat noch reife süße Frucht genug, entwickelt sich mit etwas Luft zu einem schönen Mouthpleaser.