14.05.2014

Öküzgözü, Bogazkere, Karasakiz...şerefe!



Die Türkei steht in der Traubenproduktion weltweit auf Platz drei und hat fünfmal mehr Rebfläche als Deutschland. Davon werden aber nur wenige Prozent für den Weinbau verwendet, die große Menge wird als Tafeltrauben gegessen oder zu Rosinen verarbeitet. Der Weinkonsum liegt heute nur bei einem knappen Liter pro Kopf und Jahr. Dabei hat das Land eine uralte Weinbau-Tradition, schon im 4. Jahrtausend v.Chr. gab es kultivierte Rebflächen in Anatolien. Außerdem ließ sich ja auch schon Noah dort als Winzer nieder, nachdem er mit seiner Arche nach der Flut auf dem Berge Ararat gelandet war. In der osmanischen Periode war es dann nur den christlichen Minderheiten erlaubt, Wein zu produzieren. Erst unter dem als Weinliebhaber bekannten Kemal Atatürk nahm in den 1920er Jahren der Wein in der Türkei wieder einen gewissen Aufschwung, die auch heute noch existierenden Großbetriebe wie Doluca und Kavaklidere wurden in dieser Zeit gegründet. Kleine, individuell arbeitende Winzer gibt es bisher viel zu wenig. Dabei sind die Voraussetzungen für einen neuen Schub gegeben. Terroir und klimatische Bedingungen sind vielfältig und günstig, eine westlich orientierte Mittelkasse wäre möglicherweise von mehr Weinkultur zu begeistern.

Doch leider hauen bis in die jüngste Ggenwart immer wieder Fundis dazwischen, und wollen unser so sehr geschätztes Genußmittel aus dem Alltag der Menschen verbannen. Der Anbau, die Verbreitung und Vermarktung des Genußmittels Wein scheint dort ein ständiger Reibungspunkt zu sein. Am liebsten würden Erdogan & Co. die Türkei wohl "trocken legen" (klick).

Hier bei uns im Hedonistenparadies hat der Türkwein ein ganz anderes Problem. Er ist, wie einiges andere auch (Georgien, Bulgarien, Libanon etc.) ein absolutes Nischenprodukt. Weinfreunde hier sind durch das Angebot völlig übersättigt, selbst lange angekündigte Aufsteigerländer haben es da schwer. Eine Möglichkeit für diese Weine wäre die jeweils landestypische Gastronomie, da wären Weine aus der Türkei natürlich im Vorteil.
Wobei mich auch hier einige Beobachtungen aus der letzten Zeit irritieren. In einem Mittelding zwischen Dönergrill und Restaurant, sehr gut besucht, mit sehr schöner Grillqualität bei Fleisch und Gemüse, mitten in Bochum, war die Devise "no alcohol", nicht mal ein kühles Efes war verfübar. Rücksichtnahme auf die Fundifraktion...

Um so verdienstvoller, anerkennneswertter und sowieso bewunderswert ist der Einsatz von Importeuren, die Weine der Levante nach Deutschland bringen und auf guten Ab- und Umsatz hoffen. Mir gefällt das, schon weil es eine schöne Abwechslung in die Gläser bringt. Wer wollte denn immerzu die immergleichen Rieslinge, Bordeuax & Co. im Glas haben?

Einer dieser Eifrigen ist Tufan Topcu. Ende 2011 betrat er unter dem Label Gourient die Szene mit einem Shop für türkischen Weine, Raki und Olivenöl. Er sitzt in Weimar und da das natürlich keinen großen Vort-Ort-Absatz ermöglicht, stützt sich sein Geschäftsmodell vor allem auf den Internethandel. Die Homepage ist top, getaucht in türkisches lila (klick hier).

Sehr schön, daß auch Weinblogger bemustert werden, die beiden verkosteteten Flaschen wurden dem Weindeuter ins Haus und somit in die Gläser geschickt.





Suvla Blush Karasakiz 2012 (13% / 12€) Ich sag es ehrlich, ich hatte mehr Süße erwartet. Doch nichts davon im Glas, stattddessen ein völlig korrekt gemachter frischer Rosé. In der Nase duftig, Frühlingswiese, ganz zarte dünnwandige Blüten, in der Nase Himbeere, etwas süßer Hagebuttentee, im Mund voll, Moderate Säure, er kleidet aus, da kommt Würze, durchaus stoffig, kein Leichter, kein Wässerchen, erinnert an einen seriösen Provence-Rose.

Vinkara Quattro Kirmizi 2012 (13% / 8€) Auch der Rote aus den wohlklingenden Sorten Öküzgözü, Bogazkere, Alicante kommt mit frischer Frucht, gebremsten Gerbstoffen, etwas Würze, nicht fett, kommt im Ausdruck nicht ganz an den Rosé ran, guter Tischwein mit flotter Aufmachung, der vielen schmecken dürfte.

So, zum Abschluß noch etwas türkisch für Weinanfänger: “Üzüm” heißt “Traube”, Wein heißt “Şarap”,
Prost ist "şerefe". Kann ja mal wichtig werden... 






01.05.2014

1. Mai: Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse


Der 1. Mai, Tag der Wende, Tag des Beginns, Tag des Aufbruchs. Man tanzt hinein, man vögelt hinein, endgültig den Winter hinter sich lassend, den Frühling begrüssend. Die Knospen spriessen, die Säfte fliessen. Aber: Es gilt auch, sich zu erinnern, was in den Maitagen 1886 auf dem Haymarket in Chicago geschehen ist. Und wer dort aus welchem Grund sein Leben ließ. Daran zu gedenken wurde drei Jahre später der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen.
Darum kam heute was Rotes ins Glas, Wein vom Rotschieder, vom Roten Hang in Nierstein: Niersteiner Oelberg Riesling 2012 (12,5% / 5,40€) vom Friedrichshof, ein typisches Weingut der zweiten Reihe. Mit einem Riesensortiment von Bacchus Kabinett halbtrocken bis zum Winzerkaffeelikör. Friedrich Peter Schmitt ist emsig und fährt seine Stammkundenrentner mit dem Trecker durch die Weinberge mit "Weck, Worscht und Woi". Und dann kam der verkostete Kandidat auch noch mit einer mediokren Plakette daher, auf der Flasche klebte die berüchtigte Bronzene Kammerpreismünze. Es ist mir völlig unverständlich, warum ein Winzer sowas überhaupt macht, schreckt doch nur ab. Im Glas dann aber Überraschung, schöne kompakte Rieslingfrucht, frisch, reifes Steinobst, steht in Nase und Mund, hat Länge. Der Underdog gefällt, heraus zum 1. Mai...!