30.05.2011

Fütterer, Putzscheeren, Heunisch...

Da treiben sie in den Pfälzer Himmel, die alten Rebsorten
Foto: Rebenpatenschaft.de

...Kleinedel, Ortlieber, Roter und Rot-weißer Veltliner, Honigler, Blank Blau, Blauer Kracher - das sind alte Rebsorten, die im sogenannten Südpfalzweinberg als die letzten ihrer Art noch Wurzeln schlagen dürfen. Die Existenz dieses "Rebengedächtnisses" ist nun gefährdet, der Winzer, welcher den Weinberg bisher betreute, hat die Arbeit aus gesundheitlichen Gründen leider mit sofortiger Wirkung einstellen müssen.
Deshalb gibt es jetzt einen Spendenaufruf. Es geht zunächst um Soforthilfe zur Rettung bis zum Jahresende. Benötigt wird das Geld, um Pacht und Weinbergsbewirtschaftung zu finanzieren und Rebschulmaterial zu bezahlen, das zur Füllung der durch Frost entstandenen Lücken dient. Es müssen 1.500 Euro gesammelt werden, damit das wertvolle autochthone Rebmaterial nicht unwiederbringlich verschwindet.

Details hier (klick).

Zum Thema der "Rebenretter" Andreas Jung:

"Mein Motto war immer, dass man die alten Sorten möglichst virusfrei und in der noch verfügbaren Klonvielfalt erhalten muss, denn dies ist ein essentieller Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Mittlerweile bin ich bei meiner zentraleuropäischen Sortenzählung bei 650 Sorten im deutschsprachigen Raum angekommen. Es reicht nicht aus, drei Stock je Genotyp in ein virusverseuchtes Rebsortiment zu pflanzen, wie das staatlicherseits praktiziert wird.

Hier geht es um das weinbauliche Kulturerbe, es sind die letzten Vertreter ihrer Art und bis 1928 noch überall präsent gewesen. Die Sorten haben teils seit über 1000 Jahren die Klimaschwankungen überlebt und hätten es verdient, in geeigneten Lagen wieder angebaut zu werden."





28.05.2011

Ziereisen


Immer mal wieder begegnen einem im Fachhandel die individuellen Weine von Hanspeter Ziereisen aus dem Markgräfler Land. Das ist ganz im warmen Südwesten von Deutschland, kurz vor Basel, im Dreiländereck. Eine wirklich schöne Gegend: Im Osten der Schwarzwald, im Westen das Elsaß, im Süden sind die Alpen nicht weit. Und auch Fahrten von dort ins Piemont oder in die nördliche Provence werden (fast) zu Wochenendtrips. 
Alles am Weingut Ziereisen ist geeignet, Sympathie zu wecken: Überschaubare Betriebsgröße mit 10 ha, handwerkliche Weinbergsarbeit, im Keller Spontanvergärung, lange Maischestandzeit, langes Hefelager und der Ausbau vornehmlich in Holzfässern. Vor allem aber ist es die Leidenschaft des spät zum Wein gekommenen Winzers, er war zunächst Schreiner von Beruf. Mit der Großfamilie Ziereisen sind vier Generationen auf dem Weingut tätig, zu dem auch noch eine kleine Landwirtschaft und ein Hofladen gehören. Das älteste Mitglied der Familie ist Uroma Martha, Jg.1909 (!), die noch jeden Tag ihr Glas Ziereisen - Gutedel trinkt, wie Weinhändler Thilo Marquaß vor kurzem bei einer Probe glaubhaft berichtete. Woran man mal wieder sieht, wie gut Wein für ein langes Leben ist.
Der Schwerpunkt von HP liegt auf charkterstarken Spätburgundern und bei den Weißen beim schon erwähnten Gutedel, eine in Deutschland ausschließlich im Markgräflerland angebaute Spezialität. Die nahen Schweizer kennen den ja als Chasselas und kaufen auch einen großen Teil der Produktion.
Bei mir im Glas war der weiße Burgunder aus der Rebsortenlinie, passend zu einer kleinen Spargelvorspeise (Foto). Auch Ziereisen bietet ja aus eigener Produktion Spargel an.

Ziereisen "Weißer Burgunder" 2009  (12,5% / ca. 9€) Schon im Duft klasse, helle Kernfrucht in Richtung reifer Apfel, auf dem Rücketikett steht zwar Zitrus und Grapefruit, das fand ich aber nicht dominant. Im Gegenteil, es suggeriert Säure im Wein, die zumindest beim 2009er gar nicht im Vordergrund steht.
Der Wein legt sich sanft und cremig in den Mundraum. Dabei ohne jedes Fett, eher frisch und tänzelnd und dabei einen enormen Trinksog erzeugend. Zu zweit war die Flasche schnell leer, wie es nur ein Wein schafft, der wirklich anmacht.


HP Ziereisen zwischen zwei Weinfreunden aus dem Ruhrpott, links der Genießer und rechts Weindeuter



25.05.2011

Kleiner Bordeaux - 10 Jahre alt


Eine Kellerentnahme mit Anlaß, in diesem Fall sogar ein runder Geburtstag. Das Geburtstagskind, Jahrgang 2001, hat aber nix abbekommen - noch zu jung. Aber der Wein war nach 10 Jahren in schöner Reife. Ein Wein ohne Übertreibungen, kein lauter Klopfer, ein kleiner Bordeaux.
  • Chateau Dutruch Grand Poujeaux Cru Bourgois 2001 Moulis en Medoc (12,5% / ca. 20€) Ein inhabergeführtes 30ha Gut, je zur Hälfte mit Merlot und Cabernet - Sauvignon bestockt. Der Hausstil ist eher klassisch-traditionell, ohne Hilfsmittel, man setzt auf "Charme und (Jahrgangs)charakter".
    Schon sehr entwickelt, orangebraun, durchaus duftig, Erde, Pfeffermühle, Zigarrenkiste, die, in der Mädchen früher ihre Glanzbilder aufbewahrt haben. Der Wein also schön mürb geworden und jetzt absolut trinkreif. Im Mund schlank, Kirschkerne, leichte Säure. Kein Hedonist im Glas, hat Feinheit, stellt sich nicht mit lauten aufdringlichen Aromanoten in den Vordergrund. 

23.05.2011

In Lila: Gewürztraminer

Wein zum Rendezvous: Lila, Süß, viel Alkohol

Von den Südtirolern (Südtirolposts gesammelt hier) hatte mir ja ein Gewürztraminer am Besten geschmeckt, der "Nussbaumerhof" aus Tramin. Das war ein  gewaltiger Klotz, gleichzeitig aber auch sehr differenziert. Und er war bei aller Opulenz trocken ausgebaut. Auch im Elsaß hat Gewürztraminer Tradition, eine (sehr fraulich wirkende)Flasche bekam ich vor kurzem zur Verkostung. 




21.05.2011

Altwein: 1983 Spätburgunder aus der Pfalz

Schöne Kristalle am Kork:
1983er Spätburgunder Spätlese   

Ganz unverhofft kam ein Altwein ins Glas. Ort: der Weinkurs, den der Weindeuter zweimal im Jahr im Rahmen von Boskop, dem Kulturbüro des Akafö an der Ruhr Universität Bochum, die Ehre hat geben zu dürfen. Eine Studentin brachte aus dem elterlichen Weinkeller einen 83´er Spätburgunder mit in die akademische Runde. Der war ein paar Jährchen älter als sie selbst.
Deshalb der schüchterene Hinweis: "Ich weiß aber nicht, ob der noch gut ist." Nun, das wußte ich natürlich auch nicht. Es kam spontan eher Skepsis auf. Also vorsichtig entkorkt, und langsam auf die Gläser verteilt.  


19.05.2011

Spargel - Weine

Spargelwein 1:
Provence Rosé mit weißer Spargelmousse,

obendrauf versteckt sich Knoblauch 
Spargelwein sollte ja eigentlich aus fermentiertem Spargel hergestellt werden. Gibt es so etwas, auch außerhalb von Dürrenmatts Romulus - Komödie ? Wer das schon mal probiert hat, bitte melden. Für Weinhändler sind Spargelweine, die zum Spargel, jedenfalls eine feste Größe im Weinkalender. Direkt nach den Weinen zum Osterlamm und vor den leichten Sommerweinen. Wichtig ist nicht so sehr, wie der Wein direkt zum von der Aromatik ja eher zarten Spargel schmeckt, sondern wie er mit den zum Spargel gereichten Zugaben harmoniert. Und da reicht die Palette von klasssich-einfach mit Kartoffeln und Schinken über das Rinderfilet bis zum Hummer. Die Tendenz ist aber stets Weiß, maximal Rosé, jeweils nicht zu stark in der Säure stehend. Also vielleicht nicht den mineralisch ausgereizten Riesling aus Schiefersteillage, aktueller Jahrgang. Bei mir kamen bisher zwei Kandidaten an den Start:


Spargelwein 2:
Die "Platintaube" mit elegantem Etikett


18.05.2011

Weinvideo...


...über die Weinmesse von "Rolf Kaspar" auf Zeche Zollverein im März. Produziert von Pixel Garage, die auch für "Karacho-Das Motormagazin"  verantwortlich sind. Und das Schönste am Film: Man kann Weindeuter für 5 Sekunden beim Verkosten zusehen (ab 2:17). Im Glas die beeindruckenden Weine der Domaine des Enfants aus dem Roussillon. Auch der Genießer taucht kurz auf, er knipst eine (Wein)frau (2:30).

16.05.2011

Südtirol Teil 6: Bodenständiger (Wein)genuß

Genußjause: Grauvernatsch-Schoppen und
Vinschgauer Fladen mit Schinkenspeck
Der Südtirolwanderer trinkt Wein! Allein schon deshalb haben Bergtouren dort ihren Reiz. Oben auf den Hütten und Jausenstationen ist der rote oder weiße Halbe aus der Karaffe obligatorisch. Das sind dann durchweg leichte und einfache Tropfen, trotzdem schmeckt das zu den urigen Gerichten natürlich sehr gut. Gerade wenn man ordentlich Höhenmeter in den Beinen hat. Eine authentische Bergküche gibt es noch, vor allem in familiengeführten Bergasthöfen. Speck, Butter, Käse ist häufig selbstgemacht. Überhaupt ist Südtirol durch die österreichisch/italienische Fusionskulinarik reizvoll. Der Trend geht zur Feinschmeckeralpe, z. Bsp. hier die Gompnalm (klick).
Auch Sterneköche aus dem Tal übernehmen "Gourmetpatenschaften" für Berggasthöfe. In 2011 läuft im Raum Meran dazu die Aktion Sterne/Schlösser/Almen. Na, eigentlich ein Blödsinn, aber im Rahmen der Eventkultur wohl unvermeidlich. Und die Frage ist, wer da wen eigentlich (auch ökonomisch) befruchtet. Es soll wohl eher der kulinarisch interessierte Berggeher auf die Sternelokale unten im Tal aufmerksam gemacht werden.Mittlerweile gibt es auch einen Slow-Food Genußführer Südtirol. Da hört man aber, daß die erwähnten Betriebe zahlen müssen. Hier dazu ein Beispiel und eine weitere Lokalempfehlung (klick).


Wer mal im Raum Meran unterwegs ist sollte den Hiaslhof in Videgg in 1540m Höhe oben am Schennaberg besuchen. Da werden ohne Tamtam, dafür aber mit viel Liebe und Können Standards der Südtiroler Bergküche aufgetischt: Speckknödelsuppe, Kasknödel mit brauner Butter (Bild oben), Apfelstrudel, Schwarzplentenkuchen etc.


Ganz in der Nähe kann man sich auch mit Wein eindecken. In der Vinothek Mairhofer in Schenna (Bild oben) gibt es eine große Auswahl, incl. der Qualitätsspitzen (tägliche Degustationsmöglichkeit). Der "Weinklaus" ist ein kompetenter Ansprechpartner, er vinifiziert mit Freunden auch einen eigenen Wein (klick).


Zum Abschluß der Südtirol - Posts nochmal was leckeres, sozusagen mein Südtiroler Weinideal. Auf dem linken Foto eine rustikale Speckknödelsuppe mit einem einfachen Schoppenwein oben auf dem Berg. In der Kombination und in diesem Moment ein geradliniger Genuß (so wie z. Bsp. hier)
Rechts im Tal dann ein Südtiroler Klassiker, etwas feiner zubereitet: Schlutzkrapfen mit Spinat/Käse-Füllung, dazu ein frischer und lebendiger Chardonnay "Cardellino" von Elena Walch.



14.05.2011

Südtirol Teil 6: Cabernet & Co.


Südtirols Weinrenaissance basiert stark auf der Erzeugung von Weinen aus sog. internationalen Rebsorten. Die hatten zwar zum Teil schon eine gewisse Historie dort, man setzte aber seit den 70er Jahren vermehrt auf Cabernet - Sauvignon und Merlot, bei den Weißen auf Cabernet -  Sauvignon und Chardonnay, um neben dem "Zechwein" Vernatsch auch im veredelten Bereich etwas vorweisen zu können, ganz ähnlich wie z.Bsp. zur gleichen Zeit in der Toskana mit den Supertuscans. Man wollte weg vom bäuerlichen Törggelenschlotzer, sich international positionieren, Südtirol sollte in die Welt, Exportmärkte erobern. Ein Benchmark, ein Gipfelpunkt, auch preislich, ist immer noch Lageders Cor Römigberg (eine Verkostung mit schönem Bericht hier bei Dirk Würtz).
Ich griff zu anderen Vertretern, vor Ort wurden zwei rote Cuvées besorgt: Der Arzio von Baron di Pauli und der Amistar von Sölva. Dazu brachte ein Weinfreund noch sehr passend einen Cabernet der Kellereigenossenschaft Kaltern aus der Selektionslinie Campaner mit in die Verkostung ein.


  • "Campaner" Cabernet Sauvignon Riserva 2007 Kellerei Kaltern (85% Cabernet Sauvignon, 5% Merlot, 10% Cabernet Franc /  13,50 % / ca. 12€) Schon was Besseres von den Genossen aus Kaltern, dunkles Rubinrot, satte Farbe, auch schöne satte Nase. Reife Frucht, auch einiges an Schoko und Karamell drin, weicher saftiger Mundschmeichler, mittlerer Körper, auch am 2ten Tag noch frisch. Perfekt gemachter, vielleicht etwas glatter Cabernet. Für den Preis absolutes Schnäppchen. 91/100
  • "Arzio" 2006 Baron di Pauli Kaltern (50% Merlot, 25% Cabernet Sauvignon, 25% Cabernet Franc / 13% / ca. 30€) Seit über 300 Jahren befindet sich das Weingut Di Pauli in Familienbesitz. Im 19. Jahrhundert war der gesamte Kalterer See mal im Besitz der Familie Di Pauli, bis er 1901 an die Gemeinde Kaltern verkauft wurde. Auf dem Arzenhof  bereitet man seit 2003 unter dem Namen Arzio einen traditionellen Bordeauxverschnitt. Laut Manfred Lüer (Wein spricht Deutsch) die "vielleicht beste Rotweincuvée Südtirols", das hat natürlich meine Neugier geweckt. Leider ergab sich ein zwiespältiges Bild. Direkt nach dem Aufziehen seidige Pflaumennase, satter Körper, relativ weich, wohlabgestimmt, Gerbstoffe unauffällig, eher feminin, wie ein Bordeaux "vom rechten Ufer". Wirkte schon recht weit entwickelt, nicht sehr lebendig. Am zweiten Tag dann Amaronenase, der "Oxydativ" schlägt kräftig zu, zunehmend auch Bitterkeit, kein großer Genuß mehr. Am dritten Tag endgültig über den Berg, der Wein zerfällt und hinterlässt Ratlosigkeit. Möglicherweise liegts am Jahrgang. Laut Weingutsbeschreibung soll der Arzio nämlich "am Gaumen dichten Schmelz und ein festes Rückgrat" haben. Und für "ein langes Leben" vorbereitet sein. Auch angesichts des Preises deshalb nur 87/100.
  • "Amistar" Cuvée Rot 2007 VdT Peter Sölva & Söhne (30% Lagrein, 30% Merlot, 30% Cabernet Sauvignon, 5% Cabernet Franc, 5% Petit Verdot / 14% / ca. 25€) Ein historisches Weingut (die Ahnen waren spanische Einwanderer), offiziell im Jahre 1731 gegründet. Mit der Amistar - Linie gibt man sich hier besondere Mühe. Es wird spät und reif gelesen, darunter ca. 10% Trockenbeeren ( am Stock getrocknet). Während der Gärung dann Saftentzug von etwa 30% für stärkere Extraktion. Dichtes sattes Rot, undurchdringlich. Starke Nase: Tabak und Beeren, herb und süß zugleich. Im Mund zu Beginn ein "Tannintapezierer", der Wein reitet Attacke. Hat was ungezügeltes, wildes. Am zweiten Tag gerundeter, aber immer noch ein lebendiger Wein mit Tiefe und Frische. Kein Anzeichen von Müdigkeit,  auch am 4ten Tag noch Top. 93/100


10.05.2011

Südtirol Teil 5: Vernatsch

Herrlicher Schlotzer, aber wichtig:
Nicht zu warm trinken !

Bevor es den dicken "Internationalen" an den Kragen geht, ein kleines Zwischenspiel mit dem traditionellen (Rot)wein aus Südtirol: Der urige Vernatsch. Der Farnatzer oder Vernetzer – so der ursprüngliche Name dieser autochthonen Rebsorte, die am Ende des Mittelalters erstmals schriftlich erwähnt wird und seit dem 16. Jh. eine zentrale Rolle im Südtiroler Weinbau spielt.
Von jeher der Wein der Bauern, der Zechwein, der Wein zum Törggelen und der Wein, der seit den 60er Jahren den Südtiroltouristen vor allem als Kalterersee oder St. Magdalener der Inbegriff des Urlaubsweins war und heute eigentlich immer noch ist. Über 20% der gesamten Anbaufläche sind noch mit Vernatsch und seinen Spielarten Grauvernatsch und Edelvernatsch bepflanzt. Und gegen einen süffigen, leichten Schlotzer ist ja auch gar nichts einzuwenden. Der beschwert nicht so und man  ist auch nach einem halben Liter noch voll einsatzfähig. Auch oben auf den Almen und Jausenstationen wird ja viel Wein getrunken, und da bekommt man in der Regel im roten Bereich einen Vernatsch in die Karaffe.
Unter dem Namen läuft natürlich auch viel Masse, einfachste Flachlagenweine werden in (Zwei)literflaschen gepresst. Lässt man dem Vernatsch von der Leine, neigt er zu satten Erträgen, er wirft Trauben ab in karnickelhafter Zügellosigkeit. Das ergibt blasse Weine, aber es gibt natürlich auch seriöse Qualitäten. In diesem Sinne wurden zwei Kandidaten verkostet. Der Vernatsch der Klosterkellerei Muri - Gries bei Bozen und ein Eigenbauwein engagierter Weinfreunde aus Schenna bei Meran:
  • "Vernatsch" Schenna 2010 "von Philipp, Georg und Klaus" (13% / 5,90€) Eine Rarität, ein Eigenbauwein von drei Weinfreunden aus Schenna bei Meran. Allein für die Farbe mag man ihn schon, klassisch-heller Vernatschton. Herzhaft-floraler Duft, angenehm weiches Mundgefühl, soft aber nicht langweilig. Hat durchaus einen festen Kern mit erfrischender Säure, der die Trinkbarkeit befördert. Hier klicken, man sieht Bilder der Weinmacher, des Weinbergs und der Vinifikation. 89/100
  • "Grauvernatsch" 2009 Klosterkellerei Muri Gries (12,5% / ca. 7€) Hier ist schon richtig Musik drin. Wieder diese herrliche kardinalsrote Robe. Kräftige resche Kirschnase, man könnte bei einer Blindverkostung auf einen Spätburgunder tippen. Zu Beginn saftige Säure -  in reife Frucht gebettet. Dann auch Schoko, Bittermandel, Würze. Für einen Vernatsch recht stoffig. Die Überraschung am zweiten Tag: Der Wein legt zu, schmeckt auf einmal nach süßen Edbeeren, macht richtig auf und füllt die Gläser und Gaumen. 91/100
Um den qualitätsvollen Vernatsch zu fördern, wurde der Südtiroler Vernatsch Cup (klick) vor acht Jahren ins Leben gerufen.

Da wächst Vernatsch:
Klassische Pergelerziehung über Meran






09.05.2011

Südtirol Teil 4: Weißburgunder und Muskateller


Auf der Suche nach Südtiroler Frische ! Nach Weinen kühl wie ein quellklarer Bach, duftig wie eine Bergwiese im Mai. So waren, bei allem Genuß, weder der verkostete Gewürztraminer noch der Vinschgauriesling.
Aber Südtirol kann auch das. Als Beispiel ein Weißburgunder, mit knapp 10% Anteil an der Gesamtrebfläche eine wichtige Weinsorte in Südtirol. Und eine köstliche Spezialität, eine autochthone Sorte Italiens, spätreifend und frostempfindlich: Der hocharomatische Goldmuskateller/Moscato Giallo.
  • "Strahler" Weißburgunder 2009 Stroblhof / Eppan (13,5% / ca.10€) Kleines Weingut in St. Michael/Eppan mit nur 4ha Anbaufläche. Hotel und Weingut Stroblhof liegt in bevorzugter Rand- und Höhenlage (500m) des Weinhanges, der sich von Eppan bis Kaltern zieht (sog. Überetsch) direkt unterhalb des Mendelkammes. Da weht, wenn es unterhalb schon sehr heiß ist, immer noch ein kühles Lüftchen. Das Sortiment ist klein aber fein. Der bekannteste Wein des Gutes ist der Strahler, zu 90% aus Weißburgunder, die 10% teilen sich Chardonnay und Grauburgunder.
    Der Wein setzt ganz auf die Frucht, allerdings, dem Hasustil entsprechend, nicht dick und vordergründig, sondern mit Finesse. Zarte Aprikosennase, im Mund belebt saftige Säure, gerade soviel wie nötig. Der recht hohe Alkohol (13,5%) bleibt völlig im Hintergrund, sorgt höchstens für etwas Schmelz. Anspruchsvolle Erfrischung, der gesamte Vor-Ort Einkauf wurde schon während der Osterwoche in Südtirol "weggesüppelt". 91/100
  • Moscato Giallo 2010 Manincor / Kaltern (12,5% / 10€) Spektakuläre, mit viel Geld vor einigen Jahren von Michael Graf Goëss-Enzenberg wiedererweckte Kellerei mit Blick auf den Kalterer See. Hier wird mit großem Aufwand biodynamisch produziert. Der moderne unterirdisch angelegte Keller sieht aus wie die Kulisse aus einem James Bond - Film der 70er Jahre. Verkostet wurde schon der Lagrein des Hauses (klick hier).
    Auf der Suche nach Frische im heißen Frühling jetzt aber der Goldmuskateller. Auch hier kein Qualm, kein Schwulst, die typischen Muskatellernoten scheinen gezähmt, er kommt so wie der Strahler zart, mit frischfruchtiger Säure daher. Der Wein ist, eher untypisch, vollkommen trocken ohne Restzucker ausgebaut. Ein Trendsetzer für einen modernen ganz auf Frische und Mineralik setzenden Goldmuskateller. 89/100
  • Goldmuskateller 2009 Kellerei Tramin  (11% / 7€) Klassischer Stil mit Restsüße, sehr aromatischer Schmeichler aus dem warmen Unterland, leicht, weich und zart, Melone, Blümchen, sehr süffig, hat was deutlich feminines. 88/100

Hier wächst der "Strahler":
Stroblhof-Rebhang direkt unterhalb des Mendelkamms in Eppan
Manincor: Alter Herrensitz und neuer unterirdisch angelegter Keller, Anlaufpunkt für Wein - und Architekturfreunde





07.05.2011

Südtirol Teil 3: Vinschgau Riesling

Nach dem wuchtigen Gewürztraminer (Südtirol 2 hier) mal was leichteres, luftigeres. So zumindest der Plan, der dann aber doch nicht ganz aufging.
Ein Riesling aus dem Vinschgau, dem Val Venosta. Das liegt wahrlich nicht mehr im mediterranen Unterland, sondern oben im Etschtal, hinter den letzten Palmen von Meran. Da sind die Berge ringsum schon richtig hoch, viele über 3000 Meter, am Horizont steht das Ortlermassiv. Rebland ist das an den sonnigen Hängen hier schon von alters her. Vieles wurde aber zugunsten der Apfelproduktion aufgegeben. Erst in den letzten 10-20 Jahren gibt es eine Qualitätsweinrenaissance im Vinschgau. Keine großen Genossenschaften, hier dominieren kleine Winzer, die Höhenlagen rekultivieren und an individuellen Qualitäten tüfteln. Eine weitere Besonderheit: Man setzt stark auf den guten alten Riesling, für Südtirol immer noch eine exotische Sorte. Insgesamt gibt es davon nur 52ha,  = ca. 1% der gesamten Anbaubfläche.
Rieslingpionier (seit ´95) und immer noch bekanntester Wegbereiter ist Franz Pratzner aus Naturns. Er bewirtschaftet 7ha, ist neben Riesling auch für seinen Blauburgunder bekannt. Hier ist Holzreife angesagt, die Weißen legt er in Akazienholz. Beschreibungen seiner Weine bei Stuart Pigott ("Wilder Wein") haben mich neugierig gemacht, und so war klar, daß ein Falkenstein Riesling ins Glas mußte.



Falkenstein Riesling 2009 13,5 % Franz Pratzner / Naturns (13,5% / zwischen 18€ und 20€) Im Glas sattes goldgelb, dichte, vollströmende Nase, reifer Apfel kämpft mit einem kleinen (Spotan)stinker, dieser Riesling verspricht schon beim ersten Kontakt Charakter und Eigensinn. Der Duft ist geprägt vom oxydativen Ausbau und hat richtige Bassnoten, vor allem am dritten Tag: Gemähtes Heu, auch Orangeat, getrocknete Apfelringe, ein ganzer Strauß, ein Nasenwein. Im Mund kein leichtes, frisches Wässerchen. Ein Kraftriesling, cremige Physik mit Druck und Dichte. Dezentes Süße/Säure-Spiel, mehr aber ein Volumenriesling, keiner der über Frische oder Fruchtsüße punktet. Einer von denen, die einen auch bei Tisch einen Roten nicht vermissen lassen, der verträgt auch Fleisch und Würze. Verkostet über 4 Tage, bis zum Schluß ein individueller Genuß. (92/100)


Das Revier des Falken:
Blick ins Vinschgau, hinten im Talgrund Naturns



05.05.2011

Südtirol Teil 2: Gewürztraminer

Hochduftig, cremig, viel Alkohol:
Das flüssige Gold der Alpenetsch
Eine Spezialität aus Südtirol: Gewürztraminer - das flüssige Gold der Alpenetsch ! Das Dorf Tramin  reklamiert für sich, die Heimat dieser Rebsorte zu sein, die so hochduftig-aromatische Weine hervorbringt. Tramin liegt im sogenannten Unterland südlich von Bozen jenseits des Kalterersees, schon kurz vor der Salurner Sprachgrenze und damit am Ende Südtirols. Da geht es schon sehr mediterran zu, sozusagen eine vorgezogene Toskana. Es ist nicht mehr weit bis zum Gardasee, wo schon Goethe begann, seine Italienpoesie zu entfalten. Wie schmeckt Südtiroler Gewürztraminer ? Die Antwort gibt hier nicht wie beim Lagrein eine Parallelverkostung, sondern es spricht ein einziger Vertreter, allerdings ein Klassiker, ein seit Jahren hochdekorierter Wein, neben dem Kolbenhof von Hofstätter und einigen anderen ein Benchmark für Gewürztraminer aus Südtirol. Und er kommt direkt aus dem Zentrum des Geschehens, aus Tramin.

"Nussbaumerhof" Gewürztraminer 2009 Genossenschaftskellerei Tramin (14,5% / 17,99€ vor Ort, sonst bis 24€). Der Nussbaumer ist die beste Gewürztraminerlage der Genossenschaft aus über 400 m Höhe. Goldgelbes Leuchten im Glas, ein wahrer Duftstrauß von Aromen, immer wieder neuen Nuancen. Man denkt es ist süß, es riecht auch irgendwie süß, es ist aber gar nicht süß. Wobei man immer das Gefühl hat, daß da noch immer irgendwas drin ist, was nicht aus Trauben gemacht ist. Starkes (Frauen)parfüm,  Anisbrot, reife Banane, Honig, Zimt, kandierte Nüsse, Duschgel. Im Mund sehr cremig, der hohe Alkohol ist da, "kratzt" aber nicht. Hat so Wein früher geschmeckt ? Der Honigwein, das Met der Germanen ? Der Orgienwein der Römer ? Das aromatische Konzentrat läßt einen jedenfalls über die Frühzeit des Weines sinieren. Ein solch körperreiches Gewächs, wie von Rubens gemalt, ist natürlich nix für nur Riesling - Trinker. Die schrecken vor sowas zurück, denen fehlt die Säure. Und Frische  ist hier auch beim besten Willen nicht zu attestieren. Weine wie der Nussbaumer gehören aber auf jeden Fall in die große Welt faszinierender Weißweine. Wichtig beim "Verzehr": Nicht schnell wegkippen, langsam aus dem großen Glas inhalieren und bloß nicht zu kalt. Erst mit zunehmender Temperatur entfalten sich die differenzierten Genußaromen. 94/100

Kellerei Tramin: Neuer Verkostungsraum


03.05.2011

Südtirol Teil 1: Lagrein


Die "internationalen" Rebsorten wie Chardonnay, Sauvignon, Cabernet, Pinot - Noir haben zwar viel dazu beigetragen Südtirols Weinimage Ende der 80er Jahre aufzupolieren, in den letzten Jahren erlebt aber der  Lagrein, eine autochthone, charaktervolle Rebsorte, die in der Landeshauptstadt Bozen ihre Wurzeln hat, eine wahre Renaissance. Früher häufig als "Kretzer" roséfarben ausgebaut oder mit dem süffig leichten Vernatsch verschnitten, wird Lagrein heute rebsortenrein von vielen Winzerbetrieben auch als Riserva mit langer Fasslagerung angeboten.
Wie schmeckt Lagrein ? Auf dem Verkostungsprogramm standen 5 Kandidaten. Um eine gewisse Bandbreite zu haben wählte ich Weine aus drei Jahrgängen (´05/´07/´08), 2x Genossenschaftsweine, 2x renomierte Privatwinzer, 1x Klosterkellerei, Preise zwischen 15,90€ und 22,90€ und verschiedene Regionen: 1x Meran im oberen Etschtal, 1x Bozen, 2x Eppan, 1x Kaltern. Zur Orientierung hier ein link auf die interaktive Weinkarte Südtirol.
  1. „Segen“ Lagrein Riserva 2007 Weinkellerei Meran (13,5% / 15,60€) Wein aus der Toplinie der aufstrebenden Kellereigenossenschaft in Meran, die qualitativ Anschluß sucht an die Spitzenbetreibe südlich von Bozen. Warmer, kirschduftiger Wein, Tabakwürze, leichte Vanillesüße, feingeschmirgeltes Tannin, mundfüllend, über 3 Tage ein kräftiger, harmonisch ausbalancierter Wein. 92/100  = mein Favorit des Quintetts.
  2. "Mantsch" Lagrein Riserva 2007 Kellereigenossenschaft Schreckbichl/Colterenzio (13,5% / 15,90€) Große Genossenschaft mit 287 Mitgliedern und insges. 315 ha Rebfläche, ein bekannter Betrieb und unter Luis Raifer seit den 70er einer der Qualitätspioniere. Der "Mantsch" ist aus der  Praedium Linie, für die Lesegut von ausgesuchten Einzellagen rund um bekannte historische Ansitze und Weinhöfe gesondert gekeltert wird. Kein Fetter, klare Frucht, etwas Vanille, etwas Schoko, etwas Tannin, von allem etwas, wirkt dadurch aber auch etwas langweilig, mainstreamig. Hält am dritten Tag ein schönes Kirscharoma, baut aber auch ab. Appetitanregende Säure bereitete aber immerhin auf ein schönes herzhaftes Abendessen vor. 87/100
  3. "Abtei Muri" Riserva 2007 Lagrein Klosterkellerei Muri-Gries (13,5% / 22,90€) In Italien hochdekorierer Wein (3 Gläser Gambero Rosso, 5 Trauben im Duemilavini) aus dem bekannten Benedektinerkloster in Gries bei Bozen, dem Stammland des Lagrein. Feindifferenzierte Kräuternase, sehr elegant im Auftritt, Nase und Gaumen wirken wohlabgewogen, die Mönche geben kein lautes Frucht- und Gerbstoffkonzert. Am zweiten Tag interessante „helle“ Nase, fast wie ein reifer Apfel, auch Karamellbonbon, sehr transparent. Lagrein für Fortgeschrittene. 91/100
  4. "Rubatsch" Lagrein Manincor 2008 (13% / 15,90€) Spektakuläre, mit viel Geld vor einigen Jahren von Michael Graf Goëss-Enzenberg wiedererweckte Kellerei mit Blick auf den Kalterer See. Hier wird mit großem Aufwand biodynamisch produziert. Zu Beginn rauchige (Barrique)nase, im Mund packende frische Frucht, eingewickelt in herzhafte Säure. Erinnert im ersten Moment an einen kräftigen, "nordischen" Spätburgundertyp, etwa von Stodden an der Ahr. Herzhafter Wein, aber kein fetter Schmelzer, delikate Finesse. Hält sich auch nach 3 Tagen noch gut…89/100
  5. "Lagrein Gries" Riserva 2005 Josef Niedermayr Girlan (13% / 21,90€) Traditionsbetrieb aus Girlan südlich von Bozen. Sehr dunkelfarbig, kaum Anzeichen von Reife. Tiefer Duft nach Cassis und Kirsche, dazu Tabak, sehr bordeauxesk. Kraft im Mund, straff, noch deutliches Tannin. Herb, saftig, appetitlich, speichelfordernd. Keine Barriquesüße. Anspruchsvoller, kompromissloser Wein. 90/100

    Weitere Südtirolweine folgen: der exotische Gewürztraminer, die "internationalen" Flagschiffe aus Cabernet, Bergriesling etc.

    Südtiroler Rebenromatik:
    Schloß Englar in Eppan,
    im Hintergrund Girlan bei Bozen.

01.05.2011

Südtirol


Der Weindeuter ist zurück aus Südtirol. Und natürlich wurde vor Ort einiges verkostet, rustikal - deftige Kost mit einfachem Vernatsch oben auf  Bergbauernhöfen, feineres unten im Tal. Es muß alles noch aufgearbeitet und zum Teil auch nachverkostet werden, aber folgende Themen werden nach und nach vorgestellt.

(Nachtrag am 16.05.: Alles da, einfach auf die links unten klicken)
Also demnächst vor allem Südtirol - Posts hier. Auch Weinfreunde, die sich diesem Thema bisher noch nicht genähert haben bitte dranbleiben !